Hackerszene treibt iPhone-Entwicklung voran: Experten rechnen mit neuer Mobilfunkstrategie von Apple – Providerbindung schränkt Verkaufserfolg ein

Nach Spekulationen von Ezra Gottheil, Analyst bei Technology Business Research http://www.tbri.com, werde Apple sein Geschäftsmodell für das iPhone aufgeben und die Telefone auch ohne Providerbindung verkaufen. Damit hätte sich auch die Umsatzbeteiligung erledigt, die Apple mit seinen exklusiven Partnern vereinbart hat. Gottheil schließt aus Apples Zuversicht, in diesem Jahr zehn Millionen iPhones zu verkaufen, auf ein ungebundenes Handy. Bislang seien die Verkaufszahlen enttäuschend. Die britische „Times“ berichtete, dass die europäischen Anbieter große Verluste mit dem Apple-Handy machen würden. Die Handyprovider hätten sich gründlich verkalkuliert. So sei man davon ausgegangen, im vergangenen Jahr etwa 500.000 bis 600.000 iPhones in Europa absetzen zu können. Gerade einmal 330.000 Exemplare gingen bis Dezember über die Ladentheken.

 

Die Providerbindung war nach Expertenmeinung von Anfang an ein Fehler. Sie würde nicht der Kundenphilosophie des Steve Jobs-Kozerns entsprechen und wirke sich kontraproduktiv für das Image aus. Apple könnte über Business Process Outsourcing-Verträge das iPhone als eigene Mobilfunkmarke etablieren – als virtueller Netzbetreiber (MVNO). Stattdessen mache man den Kauf des mobilen Endgerätes vom Wechsel des Netzbetreibers abhängig. „Apple könnte als MVNO sogar weltweit auf Outsourcing-Modelle setzen und völlig frei am Markt agieren“, empfiehlt Omar Khorshed, Vorstandschef des Dienstleisters acoreus http://www.acoreus.de in Düsseldorf.

 

Apple habe mit seinen „iProducts“ die Endkundenmärkte kräftig in Bewegung gebracht, weil sie perfekt den „iCustomer“ adressieren. „Der Kunde, der seine Konsumgüterprodukte danach auswählt, wie sie sich in seinen persönlichen Lebensstil einpassen, steht im Fadenkreuz der Produktentwickler von Apple. Wenn Apple nun seinen Kunden abverlangt, seine Produkte nur mit bestimmten Infrastrukturanbietern zu nutzen – ist das nichts als ein Schlag ins Gesicht der Kundschaft, die ja gerade Apple wählt, um ihre individuellen Bedürfnisse zu befriedigen“, kritisiert Bernhard Steimel, Sprecher der Voice Days http://www.voicedays.de  und Co-Autor der Studie „Praxisleitfaden Mobile Marketing“ http://www.absatzwirtschaft.de/mobile-marketing.

 

Die Providerbindung führte mit einem Marktanteil von 10 bis 15 Prozent zu einem florierenden Graumarkt. Besonders die Hackerszene, für die das iPhone als vollwertige Linux-Maschine geradezu ein „must have” darstellt, sah die Providerbindung als Herausforderung an. So wurden die „Hacks” für die freie Verwendung des iPhones schneller veröffentlicht, als die meisten Nutzer das neue Update auf ihr „legales” Gerät herunterladen konnten. Der Graumarkt hat nicht nur negative Effekte, meint der Mobilfunkexperte Steimel: „Die Hackerszene treibt die Entwicklung von Anwendungen für das iPhone voran: Erst ein lebendiges Ecosystem aus einer Fülle von Anwendungen für Geschäfts- und Privatkunden schafft die Basis für Umsätze mit iPhone-Software und könnte so erfolgreich werden wie iTunes.“ Insgesamt sei die Providerbindung falsch, weil Apple künstlich den adressierbaren Markt einschränkt.

 

„Die Providerbindung hat Apple mehr geschadet, als die Umsatzanteile dem Giganten aus Cuperino kurzfristig beschert haben: Denn viele potenzielle Kunden und Multiplikatoren können aufgrund ihrer Vertragslage mit einem anderen Provider nicht auf das iPhone wechseln, weil sie dann einen eventuell noch 22 Monate laufenden Vertrag weiterbezahlen müssen. Deutlich wird der Unsinn, wenn man das Modell auf das MacBookPro überträgt. Die Arbeitsmaschine vieler Kreativer wäre doch vermutlich so unverkäuflich wie ein alter Gummistiefel, dürfte man sie nur mit einem DSL-Vertrag eines speziellen TK-Anbieters nutzen“, so der Einwand von Jens Klemann, Geschäftsführer der Bad Homburger Unternehmensberatung Strateco http://www.strateco.de.

 

Apple sollte als virtueller Mobilfunkanbieter mit einem eigenen Mobilfunktarif kostengünstige iTunes-Downloads ermöglichen.Man darf davon ausgehen, dass die Kalifornier bereits intensiv darüber nachdenken, als MVNO mit attraktiven Tarifen an den Markt zu gehen“, spekuliert Klemann. Vor allen Dingen in einer Kopplung mit einem großen Hot-Spot-Anbieter für WLAN würde die Apple-Welt noch stimmiger und nahtloser. Apple käme zudem in den Besitz der Kundendaten und Userprofile, die für die Weiterentwicklung der Produkte und Dienste von höchstem Wert sind.

Call Center 2010: Virtuell und automatisiert – Generation Y favorisiert Selbstbedienung über Web und Sprachsteuerung

Vor zehn Jahren wagte die Callcentres-Präsidentin Catriona Wallace http://www.callcentres.net eine Vorhersage, dass im Jahr 2010 Call Center die strategisch wichtigste Einheit in Unternehmen sein werden. „Ihren niedrigen Status legen sie ab und auch die Geringschätzung der Agenten gehört der Vergangenheit an. Dabei stützte ich mich bei meinen Untersuchungen und Vorhersagen auf Entwicklungen in Indien und Australien. Ich bin davon überzeugt, dass diese Entwicklungen auf die Call Center-Branche weltweit zutreffen. Zurzeit sind 80 Prozent aller Kontakte, die Kunden und Interessenten mit Unternehmen haben, Telefonkontakte, acht Prozent der Kontakte laufen über Internetkanäle.

 

Fast 90 Prozent aller Interaktionen liegen mittlerweile in der Verantwortung von Call Centern. Nur fünf Prozent der Kunden und Interessenten besuchen die Lieferanten persönlich und sechs Prozent der Kontakte finden durch persönliche Besuche des Außendienstes statt“, schreibt die australische Analystin Wallace in einem Beitrag für den Fachdienst Call Center Experts http://www.call-center-experts.de. Branchenkenner gehen davon aus, dass in Indien im Jahr 2010 95 Prozent aller Interaktionen zwischen Kunden und Unternehmen über Call Center stattfinden und weltweit, auch unter Berücksichtigung der Entwicklungsländer, 75 Prozent.

 

In Australien werde nach Erkenntnissen von Wallace schon jetzt jeder zweite eingehende Anruf für Neugeschäfte genutzt mit einem jährlichen Umsatz von 16 Milliarden US-Dollar. Ein Drittel der Call Center agiere als Profitcenter. „Die nächste große Veränderung wird durch die so genannte Y-Generation ausgelöst. Sie ist zwischen 16 und 30 Jahre alt und traditionell stark konsumorientiert. Diese jungen Menschen denken materiell, sind technikorientiert und mit moderner Mobilfunktechnologie ausgestattet. Sie geben gerne Geld aus und mögen es nicht so sehr, Zeit und Energie durch Interaktion mit Organisationseinheiten, wie traditionelle Call Center, zu verlieren“, so Wallace. Untersuchungen ihres Unternehmens zeigen, dass die Generation Y automatisierte Dienste favorisiert, seien es Sprach- oder Webapplikationen.

 

„Die Y-Generation will mobilen Zugang und das 24 Stunden an jedem Tag der Woche. Sie sie zieht es vor, mit Technologie zu kommunizieren, statt in der Warteschlange zu stecken. Zur Zeit werden in Indien 45 Prozent aller eingehenden Anfragen durch Menschen entgegengenommen, 39 Prozent landen bei einem Menschen in Kombination mit einem Sprachcomputer, fünf Prozent werden per E-Mail bearbeitet, drei Prozent werden ausschließlich von einem vollautomatisierten System für Spracherkennung bearbeitet und zwei Prozent per Web (Chat oder Text)“, erläutert Wallace.

 

Der steigende Anteil der Automatisierung und die immer intelligenter werdenden Self Service-Angebote werden sich nach Ansicht des amerikanischen Marketingexperten Don Peppers http://www.peppersandrogers.com auf die gesamte Wirtschaft  auswirken – jüngere Leute wirken dabei als Taktgeber: „Jedes Mal, wenn ein Kunde online geht und großartigen Kundenservice von Amazon, eBay oder Google bekommt, wächst auch sein Service-Anspruch beim Kiosk an der Ecke“, sagt Peppers im Interview mit der Fachzeitschrift isreport http://www.isreport.de. Die Exzellenz im klassischen Kundenservice und beim Servicedesign müsse sich daher deutlich verbessern, fordert Voice Days-Sprecher Bernhard Steimel http://www.voicedays.de. Der Fachmann für automatische Spracherkennung hält Unternehmen für zukunftsfähig, die komplexe Technik möglichst simpel nutzbar machen, das Plug-and-Play-Prinzip beherrschen, auf Produktästhetik achten und im Kundenservice auf persönliche und individuelle Wünsche eingehen.

 

„Alles andere läuft über Maschinen besser. Es dauert nicht mehr lange, dann können Automaten auf die Stimmungslage des Benutzers reagieren, einen Griesgram mit Humor freundlich stimmen, den Gestressten zügig bedienen und den Ratsuchenden mit ausführlichen und genauen Informationen versorgen – muffelnde Call Center-Agenten, dümmliche Beratung von der Stange, bürokratische Organisationen, überflutete Wartezimmer beim Onkel Doktor, Terminschlampereien von Kfz-Betrieben, Warteschleifen am Telefon oder genervtes Verkaufspersonal kann sich niemand mehr leisten“, warnt Steimel. Das ideale Call Center werde sich 2010 nach Prognosen von Wallace zum Profitcenter entwickeln und mehr Umsatzverantwortung haben. Die Generation Y sei dabei ein wichtiger Umsatzgarant. Sie werde die Automatisierung im Call Center vorantreiben und Selbstbedienungsangebote über Internet und Sprachsteuerung bevorzugen. Das Call Center der Zukunft werde virtuell betrieben auf Basis des Internet Protokolls. Dadurch könnten sowohl Spezialisten als auch Heimarbeiter einfach in den Kommunikationsprozess eingebunden werden.

Siegeszug der Automaten – Deutschland kann nur als Serviceökonomie wirtschaftlich überleben

Obwohl die Softwaretechnologie heute alles automatisiert und Routineprozesse abwickelt, sind nach Ansicht des amerikanischen Marketingexperten Don Peppers http://www.peppersandrogers.com die meisten Call Center noch zu wenig mit entsprechenden Lösungen ausgestattet – sie sind „unter-automatisiert“: „Das ist schlecht. Wenn die verfügbare Software aber irgendwann zum Einsatz kommt, passiert Folgendes: Immer mehr Aufgaben und Prozesse, die sich automatisieren lassen, werden online abgewickelt, sie wandern ins Internet. Warum sollte ein Kunde darauf warten, mit jemandem sprechen zu dürfen, wenn er sich auf einer Internet-Seite selber helfen kann? Heute nutzt auch jeder den Geldautomaten und niemand geht mehr an den Geldausgabeschalter zum Bankangestellten. Call Center werden in Zukunft also zunehmend gebraucht, um Ausnahmefälle zu klären, also solche Dinge, die sich im Vorfeld nicht automatisieren lassen, oder Anfragen, die durch das normale Raster fallen“, sagt Peppers im Interview mit der Fachzeitschrift isreport http://www.isreport.de.

 

Der steigende Anteil der Automatisierung und die immer intelligenter werdenden Self Service-Angebote werden sich nach Ansicht von Peppers auf die gesamte Wirtschaft  auswirken: „Jedes Mal, wenn ein Kunde online geht und großartigen Kundenservice von Amazon, eBay oder Google bekommt, wächst auch sein Service-Anspruch beim Kiosk an der Ecke.“ Ein Kunde ertrage keinen Verkäufer mehr, der nicht weiß, wo die Ware liegt oder der nicht in seiner Pause gestört werden will.

 

„Die Exzellenz im klassischen Kundenservice und beim Servicedesign muss in den nächsten Jahren deutlich verbessert werden, sonst werden viele Jobs über die Klinge springen“, prognostiziert Bernhard Steimel, Sprecher der Voice Days http://www.voicedays.de. Der Fachmann für automatische Spracherkennung hält Unternehmen für zukunftsfähig, die komplexe Technik möglichst simpel nutzbar machen, das Plug-and-Play-Prinzip beherrschen, auf Produktästhetik achten und im Kundenservice auf persönliche und individuelle Wünsche eingehen.

 

„Alles andere läuft über Maschinen besser. Es dauert nicht mehr lange, dann können Automaten auf die Stimmungslage des Benutzers reagieren, einen Griesgram mit Humor freundlich stimmen, den Gestressten zügig bedienen und den Ratsuchenden mit ausführlichen und genauen Informationen versorgen – muffelnde Call Center-Agenten, dümmliche Beratung von der Stange, bürokratische Organisationen, überflutete Wartezimmer beim Onkel Doktor, Terminschlampereien von Kfz-Betrieben, Warteschleifen am Telefon oder genervtes Verkaufspersonal kann sich niemand mehr leisten“, warnt Steimel.

 

Der Kölner Wissenschaftler Bernd Vorwinkel geht in seinen Analysen sogar noch weiter. Er sieht die künstliche Intelligenz im Alltag und Arbeitsleben unaufhaltsam auf dem Vormarsch. „Da die künstliche Intelligenz noch nicht über ein eigenes Bewusstsein verfügt, ist sie der menschlichen Arbeitskraft besonders dort überlegen, wo die Tätigkeit auf die Abarbeitung festgelegter Abläufe zurückgeführt werden kann. Damit sind die Bereiche betroffen, in denen keine große Kreativität gefordert wird“, schreibt er in seinem Opus „Maschinen mit Bewusstsein – Wohin führt die künstliche Intelligenz“.

 

So seien praktisch alle Berufe im Bankenwesen und in der Industrieproduktion im Prinzip schon jetzt durch künstliche Intelligenz ersetzbar. „Selbst bei so anspruchsvollen Tätigkeiten wie der Verwaltung von Aktienfonds haben Computerprogramme in der Regel größeren Erfolg als Menschen…Die Massenproduktion in der Industrie wird schon in naher Zukunft ausschließlich von Computern und Robotern ausgeführt werden können. Auch in der Landwirtschaft werden computergesteuerte Maschinen die Bearbeitung der Nutzflächen bis hin zur Ernte übernehmen“, so die Vorausschau von Vorwinkel. Ähnlich sieht es Steimel:

 

„Früher brauchte man die Produktion nur auf Masse trimmen, um die Produktivität zu erhöhen. Im Zeitalter der Dienstleistungsökonomie funktioniert das nicht mehr. 70 Prozent der Führungskräfte im öffentlichen Dienst und in der Wirtschaft verbringen ihre Arbeitszeit mit dem Rücken zum Kunden. Das müssen wir umkehren. Heute liegt die Aufgabe darin, im Kundenservice klüger zu arbeiten und sich vom alten Denken des industriekapitalistischen Zeitalters der Massenproduktion zu verabschieden“, fordert Steimel.

 

Zu einem ähnlichen Befund kommt der VWL-Professor  Barry Eichengreen von der Uni California in Berkeley http://www.econ.berkeley.edu/~eichengr. Die Grundlage künftiger Schwierigkeiten für Deutschland liegen nach seiner Einschätzung in dem noch anhaltenden Erfolg in der industriellen Fertigung: „Der unaufhaltsame technologische Fortschritt Chinas wird zu einer direkten Bedrohung für die deutsche Industrie. Das Wachstum in Deutschland wird entscheidend davon abhängen, dass es, statt mit diesem Riesen zu konkurrieren, andere Formen der Beschäftigung mit hoher Wertschöpfung findet. Es muss sich von der Fertigung lösen und der Produktentwicklung zuwenden. Es muss weg von der Industrie und hin zu den Dienstleistungen, die, wenn auch nicht ausschließlich, so doch in hohem Maße auf persönlichen Kontakten beruhen und daher nicht so leicht ins Ausland zu verlagern sind“, empfiehlt Eichengreen. Man müsse Wege für den Einsatz der Informationstechnologie finden, um die Produktivität im Einzelhandel, im Finanzsektor und in anderen Dienstleistungsbranchen zu erhöhen, in denen Deutschland meilenweit hinter den Vereinigten Staaten herhinkt.

Mit Rückwärtsversteigerung Traumhaus gewinnen

Es wird nicht leichter für die deutschen Radiomacher, ihren Platz im Medienmarkt zu behaupten. Print- und Onlinemedien auf der einen Seite und immer neue TV-Formate auf der anderen Seite sowie crossmediale Angebote machen Radio immer mehr zum Begleitmedium. „Radio ist ein klassisches Nebenbeimedium. Es steht in der Ecke herum und dudelt vor sich hin. Hörer schenken dem Radio mal mehr, mal weniger Aufmerksamkeit“, schreibt Kreativtrainer Jens-Uwe Meyer in seinem Buch „Kreative PR“ (UVK Verlagsgesellschaft). „Sie hören kurz hin, ob sie das, was dort läuft, interessiert, und dann machen sie wieder irgendetwas anderes“, so der Autor. Für andere Medien nehme sich der Konsument in aller Regel bewusst Zeit. Umso wichtiger ist es für Radiosender, unverwechselbar zu werden, Image und Profil zu gewinnen und zu festigen. Denn „was so leicht dahin dudelt, hat seinen Erfolg gerade weil es so leicht und einfach klingt. Das typische Formatradio hat keine Ecken und Kanten und ein großes Ziel: Der Hörer darf nicht abschalten. Die Masse darf nicht abschalten. Um das zu erreichen, haben die Radiomacher Formate kreiert, die den Hörer binden wollen“, so die Analyse von Cornelia Krause in der Zeitschrift Leo (Lingua et Opinio) – Studentische Zeitschrift zu Sprache und Kommunikation http://www.tu-chemnitz.de/phil/leo/rahmen.php?seite=hauptverz/verein.php an der Technischen Universität Chemnitz. „Man könnte sagen, es gibt so viele Formate, wie es Radiosender gibt. Das ist grundlegend richtig, da jeder Radiosender sein eigenes Format finden will, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Ein Format definiert die Struktur, den Inhalt und die Präsentation der einzelnen Sender.“

 

Viele Radiosender suchen angesichts der zunehmenden Verlagerung von Werbebudgets neue Erlösquellen sowie eine individuelle Ansprache und Einbindung ihrer Hörer und setzen dabei auf so genannte Call Media Aktionen. Radio Brocken http://www.radiobrocken.de mit Sitz in Halle an der Saale hat gerade ein Haus im Wert von 140.000 Euro bei einer Rückwärtswertseigerung an den Mann beziehungsweise an die Frau gebracht. Dabei bekam das niedrigste allein abgegebene Gebot den Zuschlag. Und die neue Besitzerin zahlt nun genau 169,01 Euro für ihr neues Heim. Weil sowohl die Teilnahme über die Rufnummerngasse 0137 wie die Teilnahme über Premium-SMS zum Preis vom jeweils 50 Cent möglich war, hat sich das Spiel großer Beteiligung erfreut. „Gerade die mobile Komponente ist ausschlaggebend für den Erfolg vieler crossmedialer Kampagnen“, sagt Jürgen Wachter, zuständiger Key Account Manager beim Bonner Mehrwertdiensteanbieter NEXT-ID http://www.next-id.de, von dem das Konzept für das interaktive Hörerspiel der Rückwärtsversteigerung stammt. Und die SMS als Transportmedium habe sich laut Wachter für solche Marketing-Aktionen bewährt, auch weil die Medien verstärkt darauf angewiesen seien, Gewinnspiele oder andere interaktive Telefon-Promotions mit möglichst geringem finanziellen, technischen und zeitlichen Aufwand zu realisieren. „Die Hörer werden zum Mitmachen bewegt und interaktiv in das redaktionelle Geschehen des Senders eingebunden. Neue Hörer können so leichter gewonnen, vorhandene an den Sender gebunden werden.“ Zudem hätten der attraktive Gewinn und die spannende Spielstruktur die Traumhaus-Aktion zum Gesprächsthema in ganz Sachsen-Anhalt gemacht. Call Media Aktionen im Hörfunkbereich eröffnen durch redaktionelle Einbindung neue, crosmediale Wege der Interaktion mit dem Hörer, sei es über Festnetz, Handy oder auch über Internet. Call Media sei somit auch ein wichtiges Element zur Stärkung des Profils und der Bekanntheit des Senders.

Bewerbungen über iPhone: Internet als Karrieresprungbrett

Das Web 2.0 hat ein neues Bewerbungszeitalter eingeläutet. Business-Netzwerke machen herkömmliche Formen der Bewerbung mehr und mehr überflüssig. Harvey Nash http://www.harveynash.com/de ist nach eigenen Angaben der erste Personaldienstleister mit eigener i-Suite für das iPhone. „Kandidaten und Kunden können sich über alle Schnittstellen zu offenen Positionen und dem Status ihrer Bewerbungen für das iPhone updaten“, erläutert Michael Zondler, Sales Director bei Harvey Nash. „Unsere Kunden können später dadurch den Status des Harvey Nash Recruiting für ihre offenen Positionen in real time und überall abrufen.“

Harvey Nash stelle Interessenten RSS Feeds zur Verfügung, gespeist aus eigenen Blogs und Internetseiten http://www.harveynash.com/group/rss_feeds/index.asp. „Alle unsere Mitarbeiter verfügen außerdem über einen XING Premium Account“, erläutert Zondler und verweist auf sein eigenes Profil https://www.xing.com/profile/Michael_Zondler.

Besonders XING nimmt im Bewerbungsprozess eine immer größere Rolle ein, bestätigen auch Karriereberater wie die Autorin Svenja Hofert. Sie zeigt in ihrem Buch „Jobsuche und Bewerbung im Web 2.0“ auf, wie Arbeitnehmer das Internet als Karrieresprungbrett nutzen können. Doch auch Arbeitgeber müssen stärker auf das Internet setzen. „Viele Firmen sind leider immer noch zu zögerlich, die neuen Medien für die eigene Darstellung und den Imageaufbau des Unternehmens zu nutzen. Wir agieren wesentlich offensiver. So betreiben wir unter anderem das Mobilfunk-Forum in XING unter https://www.xing.com/net/mobilfunk/“, betont Zondler. Auch Second Life werde mit einer eigenen Präsenz genutzt. Hier könnten sich Bewerber und Kunden virtuell zusammenfinden, aber auch Analystenkonferenzen werden dort durchgeführt.

Moderne Robotertechnik beseitigt Personal- und Produktionsengpässe

Vom 24. bis 30. April 2008 trifft sich die internationale Verpackungsbranche auf der Interpack für Interpack www.interpack.de in Düsseldorf. Auf der Fachmesse für Verpackungsmaschinen und Packmittel werden Komplettlösungen für das automatische Verpackungshandling präsentiert. Sie sollen das Problem der Produktionsengpässe lösen, die durch zu geringe Personalkapazitäten hervorgerufen werden. Hier kann nach Einschätzung von Branchenexperten der Einsatz von Robotern entscheidende Vorteile bieten: „Von der kostenoptimierten Rund-um-die-Uhr-Produktion bis hin zur fehlerfreien Rückverfolgung mit minimalem Aufwand: Vollautomatische Systeme ermöglichen Produktionssteigerungen und bringen mehr Transparenz in die Prozesskontrolle“, sagt Frank Falter vom Technologiehersteller Bizerba http://www.bizerba-openworld.de.

 

Auf der Interpack präsentiert Bizerba in Kooperation mit dem finnischen Unternehmen Kine Robot Solutions http://www.kine.fi den Nutzen automatisierter Lösungen. Am Anfang des Gesamtsystems etikettiert ein Preisauszeichner der GLM-I Serie Produktverpackungen. Sie gelangen anschließend über ein Förderband an die Roboter-Zelle PackUnit. Der Greifarm mit Saugvorrichtung nimmt die Verpackungen auf und stellt sie in Kisten ab. Das System ist für variable Gebindegrößen ausgelegt und kann nach Angaben von Bizerba sehr schnell auf die Bedürfnisse in der Produktion angepasst werden. Die Kisten werden über eine Förderstrecke zu dem Palettierroboter PalletUnit transportiert und auf eine Palette gestapelt. Auch diese Funktion ist für variable Gebinde- und Palettenabmessungen konzipiert. Die Palette selbst steht auf einer Waage, so dass der Etikettierer GLM-P abschließend das Palettengewicht auszeichnen kann. 

 

„Diese und vergleichbare Lösungen von Bizerba und Kine lassen sich variabel an die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Interessenten anpassen. Eine einfache Verbindung zu Warehouse-Management-Systemen ist dabei ebenso möglich wie der direkte Anschluss an Waagen-, Auszeichnungs- und Verpackungssysteme“, erläutert Falter.

 

Service-Roboter werden nach Ansicht von Lupo Pape, Geschäftsführer von SemanticEdge http://www.semanticedge.de in Berlin, nicht nur die Industrie umkrempeln. „So arbeitet das Microsoft-Entwickler unter Führung von Tandy Trower und Craig Mundie an roboterähnlichen Geräten für den Alltag arbeiten. Zur Lösung der Aufgabe konzipieren sie ein neues Hilfsmittel namens CCR (concurrency and coordination-run-time). Eine weitere Entwicklung von Microsoft ist der verteilte Softwaredienst DSS (decentralizend software services), der es ermöglicht, Anwendungen zu schreiben, bei denen das Programm einen Sensor auslesen oder einen Motor kontrollieren kann. Mit DSS ist es auch möglich, Roboter über eine drahtlose Breitbandverbindung via Webbrowser von einem anderen Ort zu überwachen und zu steuern. Wie in den 70er Jahren, als die Programmiersprache ‚Microsoft Basic’ zum Schlüsselfaktor der PC-Revolution wurde, geht das Team von Trower an die Arbeit, Roboter für jedermann zu konzipieren“, so der Ausblick von Pape. 

 

Microsoft-Gründer Bill Gates habe den Stand der Roboterindustrie mit dem der PC-Industrie in den späten siebziger Jahren verglichen, bestätigt Trower. Damals war der Apple-Computer populär, der keine Kleinbuchstaben kannte. Dann war da der Commodore PET, der Dateien auf Musikkassetten speicherte. Und es gab Firmen wie Atari, Coleco und Texas Instruments, die einfach Tastaturen an ihre Videospielkonsolen hängten. Also sah auch der PC-Markt damals nicht gerade vielversprechend aus – und trotzdem ist er in Fahrt gekommen“.

 

Für ihn spricht einiges dafür, dass sich die Roboterverbreitung ähnlich vollziehen wird wie die der Computer. „Erstens findet man weltweit keine Regierung und keine Industrie mehr, die nicht in Robotik investiert. Fast jede große Technische Universität forscht an Robotern. Zweitens schreitet die Robotik enorm schnell voran. 2004, im ersten Jahr der Darpa Grand Challenge, einem Wüstenrennen führerloser Autos, kam nicht ein einziges Fahrzeug ins Ziel. 2005 waren es schon vier. Welche wichtige Technologie auch immer man betrachtet – Handys, DVD-Player, das Internet -, anfangs hatten sie alle flache Wachstumskurven. Als IBM 1981 den Personal Computer einführte, ersetzte der nicht sofort alle Großrechner. Es dauerte 20 bis 30 Jahre, bis er die riesigen Eisenschränke verdrängt hatte“, so der Microsoft-Entwickler.

 

Zudem bauten Firmen wie Intel und AMD immer schnellere Prozessoren. „Früher brauchte man stets die neuesten, weil die Programme immer leistungshungriger wurden. Heute ist das nicht mehr so. Will die Hardwareindustrie überleben, muss sie andere Anwendungen finden. Die Robotik ist da ideal – ich glaube, wir werden in der Branche in drei bis fünf Jahren den Wendepunkt sehen“, prognostiziert Trower. Die International Federation of Robotics (IFR) http://www.ifr.org prognostiziert ein Wachstum der Roboterproduktion von 2008 bis 2010 von vier Prozent jährlich. 
 

 

Aichaku, digitaler Animismus und die symbiotische Liebe zum Objekt

Grafikdesigner John Maeda hatte in seiner Jugendzeit ein Schlüsselerlebnis, das zu einem Grundpfeiler seiner Arbeit über die Gesetze der Einfachheit wurde:  „Unser Schwimmlehrer bediente sich unorthodoxer Methoden: Er brachte uns nicht das Schwimmen bei, sondern die meiste Zeit sollten wir lernen, uns zurückzulehnen und Vertrauen zum Wasser zu gewinnen. Dann kam der entscheidende Augenblick: Er forderte uns auf, vorwärts zu gehen und dabei mit Armen und Beinen zu paddeln – und plötzlich schwamm ich. Ich erkannte, dass ich schon immer schwimmen konnte – ich hatte nur kein Vertrauen zum Wasser gehabt“, erklärt der Professor für Medienkunst am Media Lab des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge.

Die Vision von Maeda: Genau wie beim Schwimmen sollte sich der Mensch bei technischen Geräten auf seine Intuition verlassen können. Denn was nützten komplizierte Handy-Funktionen, die sich trotz oder gerade wegen Bedienungsanleitung nicht adäquat steuern ließen? Sie machten den Benutzer allenfalls misstrauisch. Geräte mit selbsterklärenden Displays hingegen weckten beim Benutzer Vertrauen und versetzten ihn in einen Zustand der Entspannung. Simplicity – Maedas Leitfaden zur Einfachheit im digitalen Zeitalter verdeutlicht, wie dieses Konzept zum Eckpfeiler von Organisationen und ihren Produkten werden kann – und warum es sich als treibende Kraft für Wirtschaft und Technologie erweisen wird.Die Designrichtung, der wir die vielen nüchtern-industriell aussehenden Gegenstände in unserer Umwelt zu verdanken haben, ist der Modernismus.

„Er verbannt unnötige Verzierungen und legt stattdessen mit den Produktionsrohstoffen den wahren Charakter eines Gegenstandes offen“, so Maeda.

Auf den gleichen Designgrundsätzen beruhe auch die reichhaltige japanische Tradition mit ihren handwerklich nahezu vollkommen gestalteten Holz- und Tongegenständen. Doch der Mensch braucht bei allem Minimalismus auch immer eine Befriedigung seiner emotionalen Bedürfnisse. Das japanische Design beinhalte daher auch einen animistischen Aspekt. Animismus, das ist der japanische Glaube, dass alle Gegenstände eine eigene spirituelle Existenz besitzen. Der Betrachter könne demnach eine natürliche emotionale Bindung zur Lebenskraft des Objekts entwickeln und eine verborgene Verzierung nicht sehen, sondern fühlen.

„Obwohl es wahrscheinlich die meisten westlichen Menschen abstreiten, sind emotionale Bindungen zu Gegenständen Teil unseres seelischen Haushaltes. Wir schreien abstürzende Computer an und verteufeln streikende Steckdosen“, sagt Marketingexperte Günter Greff.

Ende der neunziger Jahre zeigte auch die Tamagochi-Welle, dass sich Menschen in ein kleines elektronisches Etwas in einem Schlüsselanhänger verlieben können.

„Eine Art digitaler Animismus scheint bei unserer technisch versierten Jugend zunehmend an Beliebtheit und Anerkennung zu gewinnen. Und auch Handys, die als eigentliches Gerät immer kleiner und schmuckloser werden, werden durch etliches Zubehör von uns liebevoll verziert“, führt Greff weiter aus.

Die Japaner nennen dieses Verbundenheitsgefühl Aichaku:

„Es ist eine Art symbiotische Liebe zu einem Objekt, das Zuneigung nicht für das verdient, was es tut, sondern für das, was es ist. Wenn wir anerkennen, das es aichaku in unserer baulichen Umwelt gibt, können wir uns besser um das Design von Gegenständen bemühen, die bei den Menschen dreierlei hervorrufen: Gefühl, Fürsorge und den Wunsch, es ein Leben lang zu besitzen“, glaubt Maeda.

„Jedes Mal, wenn ein Kunde online geht, wächst sein Service-Anspruch beim Kiosk an der Ecke“

Obwohl die Softwaretechnologie heute alles automatisiert und Routineprozesse abwickelt, sind nach Ansicht des amerikanischen Marketingexperten Don Peppers die meisten Call Center noch zu wenig mit entsprechenden Lösungen ausgestattet – sie sind „unter-automatisiert“:

„Das ist schlecht. Wenn die verfügbare Software aber irgendwann zum Einsatz kommt, passiert Folgendes: Immer mehr Aufgaben und Prozesse, die sich automatisieren lassen, werden online abgewickelt, sie wandern ins Internet. Warum sollte ein Kunde darauf warten, mit jemandem sprechen zu dürfen, wenn er sich auf einer Internet-Seite selber helfen kann? Heute nutzt auch jeder den Geldautomaten und niemand geht mehr an den Geldausgabeschalter zum Bankangestellten. Call Center werden in Zukunft also zunehmend gebraucht, um Ausnahmefälle zu klären, also solche Dinge, die sich im Vorfeld nicht automatisieren lassen, oder Anfragen, die durch das normale Raster fallen“, sagt Peppers im Interview mit der Fachzeitschrift isreport.

Bei den Call Center-Agenten sei deshalb ein gesundes Maß an Urteilsvermögen und Kreativität vonnöten. Man brauche motivierte und entschlussfreudige Mitarbeiter.

„Die Softwaretechnologie kann dabei nur unterstützen. Zukünftig wird es im Call Center weniger Mitarbeiter geben, von denen jeder einzelne aber wichtiger wird“, so der Autor des Buches „Rules to break and laws to follow“ (VCH Wiley-Verlag).

Der steigende Anteil der Automatisierung und die immer intelligenter werdenden Self Service-Angebote werden sich nach Ansicht von Peppers auf die gesamte Wirtschaft auswirken:

„Jedes Mal, wenn ein Kunde online geht und großartigen Kundenservice von Amazon, eBay oder Google bekommt, wächst auch sein Service-Anspruch beim Kiosk an der Ecke.“

Ein Kunde ertrage keinen Verkäufer mehr, der nicht weiß, wo die Ware liegt oder der nicht in seiner Pause gestört werden will.

„Die Exzellenz im klassischen Kundenservice und beim Servicedesign muss in den nächsten Jahren deutlich verbessert werden, sonst werden viele Jobs über die Klinge springen“, prognostiziert Bernhard Steimel, Sprecher der Voice Days.

Der Fachmann für automatische Spracherkennung hält Unternehmen für zukunftsfähig, die komplexe Technik möglichst simpel nutzbar machen, das Plug-and-Play-Prinzip beherrschen, auf Produktästhetik achten und im Kundenservice auf persönliche und individuelle Wünsche eingehen.

„Alles andere läuft über Maschinen besser. Es dauert nicht mehr lange, dann können Automaten auf die Stimmungslage des Benutzers reagieren, einen Griesgram mit Humor freundlich stimmen, den Gestressten zügig bedienen und den Ratsuchenden mit ausführlichen und genauen Informationen versorgen – muffelnde Call Center-Agenten, dümmliche Beratung von der Stange, bürokratische Organisationen, überflutete Wartezimmer beim Onkel Doktor, Terminschlampereien von Kfz-Betrieben, Warteschleifen am Telefon oder genervtes Verkaufspersonal kann sich niemand mehr leisten“, warnt Steimel.

Der Kölner Wissenschaftler Bernd Vorwinkel geht in seinen Analysen sogar noch weiter. Er sieht die künstliche Intelligenz im Alltag und Arbeitsleben unaufhaltsam auf dem Vormarsch.

„Da die künstliche Intelligenz noch nicht über ein eigenes Bewusstsein verfügt, ist sie der menschlichen Arbeitskraft besonders dort überlegen, wo die Tätigkeit auf die Abarbeitung festgelegter Abläufe zurückgeführt werden kann. Damit sind die Bereiche betroffen, in denen keine große Kreativität gefordert wird“, schreibt er in seinem Opus „Maschinen mit Bewusstsein – Wohin führt die künstliche Intelligenz“.

So seien praktisch alle Berufe im Bankenwesen und in der Industrieproduktion im Prinzip schon jetzt durch künstliche Intelligenz ersetzbar. „Selbst bei so anspruchsvollen Tätigkeiten wie der Verwaltung von Aktienfonds haben Computerprogramme in der Regel größeren Erfolg als Menschen…Die Massenproduktion in der Industrie wird schon in naher Zukunft ausschließlich von Computern und Robotern ausgeführt werden können. Auch in der Landwirtschaft werden computergesteuerte Maschinen die Bearbeitung der Nutzflächen bis hin zur Ernte übernehmen“, so die Vorausschau von Vorwinkel. Ähnlich sieht es Steimel:

„Früher brauchte man die Produktion nur auf Masse trimmen, um die Produktivität zu erhöhen. Im Zeitalter der Dienstleistungsökonomie funktioniert das nicht mehr. 70 Prozent der Führungskräfte im öffentlichen Dienst und in der Wirtschaft verbringen ihre Arbeitszeit mit dem Rücken zum Kunden. Das müssen wir umkehren. Heute liegt die Aufgabe darin, im Kundenservice klüger zu arbeiten und sich vom alten Denken des industriekapitalistischen Zeitalters der Massenproduktion zu verabschieden“, fordert Steimel.

Produktivitätssteigerungen könne man bei Dienstleistungen nur über eine Bildungs- und Wissensoffensive erreichen. Wer diese Transformation am besten und schnellsten bewältige, werde das 21. Jahrhundert wirtschaftlich dominieren.

„Das haben viele in unserem Land immer noch nicht begriffen. Erst vor sieben Monaten bescheinigte die OECD dem deutschen Bildungssystem dramatische Mängel. Deutschland war unter 30 Industrienationen abgerutscht von Platz 10 auf Platz 22, viel zu wenig junge Leute studierten. Die heute 45- bis 64-Jährigen weisen bessere Bildungsabschlüsse auf als die 25- bis 34-Jährigen. Der Bildungsstand der Bevölkerung wird in den nächsten Jahrzehnten zum wichtigsten Faktor für Wohlstand und Wirtschaftswachstum“, resümiert Steimel.

Die Autoren Stefan Bonner und Anne Weiss beschreiben den Bildungsabstieg in ihrem Buch „Generation Doof“ noch drastischer. In der jungen Generation gebe es immer mehr geistige Totalschäden: „Grazile Models, deren Gehirn anscheinend so schlank ist wie ihr Körper, und Schüler, die hart auf eine Hartz IV-Karriere hinarbeiten, sind nur die Ausläufer einer großen Intelligenzschmelze. Die Dummheit geht um in Deutschland.“

Controlling-Fetischismus und seelenlose Taschenrechner: Der Kunde spielt nur eine Nebenrolle

Erst kommen die Kosten, dann die Finanzen, die Organisation und die Mitarbeiter. Und am Ende tauchen auch mal die Kunden in den Überlegungen der Manager auf. Ist dies ein Klischee oder Zerrbild? Nach Ansicht von Anne M. Schüller werden Kundenversteher verzweifelt gesucht, weil die Unternehmen es an Menschlichkeit fehlen lassen.

„Effizienzsteigerung, Prozessorientierung, Kostensparen. Manager, die an Zahlen kleben. Führungskräfte, die mit sich selbst beschäftigt sind. Mitarbeiter, die im Panzer von Standards und Normen feststecken. Wen wundert’s, wenn Kunden panisch die Flucht ergreifen. Woran es Unternehmen am meisten mangelt, ist Menschlichkeit. Denn ihr Zweck ist heute: Menschen glücklich machen“, schreibt Schüller, die als Management-Consultant arbeitet und als Expertin für Loyalitätsmarketing gilt, in einem Essay für ChangeX.

Der Fetisch dieser Führungskräfte heißt Quartalsbericht, kurzfristige Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen beherrschen die Denkmuster:

„Seelenlose Taschenrechner haben das Sagen. Und der Kunde spielt nur eine Nebenrolle.“

Dass sich Manager, die neu in eine Unternehmen kommen, nur sehr rudimentär mit ihren Kunden beschäftigen, belegt eine 2007 online durchgeführte Studie des IFAM-Instituts in Düsseldorf. Es sei erstaunlich, so das Fazit der Untersuchung, wie selten den Führungskräften die Kundenwertorientierung in den Sinn komme.

Dass der Kunde der „wahre Boss“ ist, scheint als Botschaft noch nicht angekommen zu sein. Die Autorin verweist auf internationale Effizienzstudien von Proudfoot, wonach Vertriebsmitarbeiter im Schnitt nur 20 Prozent ihrer Arbeitszeit im aktiven Verkauf verbringen. 80 Prozent der Arbeitszeit gehen für Administration und Verwaltung drauf.

„Das Marketing hat, um seine Existenz zu rechtfertigen, vor allem Controlling zu betreiben und Return on Investment zu beweisen. Die Zahlenhörigkeit in vielen Führungsgremien ist geradezu absurd“, so Schüller.

Dabei seien es letztlich ausschließlich die Kunden, die das Überleben eines Unternehmens sichern.

„Wenn der Kunde pfeift, müssen Sie tanzen“, bringt es der schwedische Wirtschaftsphilosoph Kjell A. Nordström auf den Punkt.

Das viele Führungskräfte sich verzetteln und das Wesentliche aus den Augen verlieren, ist nach Kenntnissen von Karl-Heinz Land leider kein Ausnahmefall: „Die meisten Unternehmen steuern ihre Projekte nach wie vor mit aberwitzig komplexen Excel-Listen, wahren E-Mail-Fluten und ungezählten Telefonaten und sinnlosen Meetings,“ so der Unternehmer, dessen Firma eXsolut sich auf das Aufgabenmanagement spezialisiert hat.

„In vielen Firmen herrscht ein Informationsoverkill bei den Mitarbeitern, die ständig E-Mails lesen und beantworten müssen, Excel-Dateien aktualisieren oder sich in irgendwelchen langatmigen Abstimmungsmeetings verschleißen, anstatt sich um die Erledigung ihrer Aufgaben zu kümmern“, kritisiert Land.

Als abschreckendes Bespiel für mangelhaftes Kundenmanagement benennt Schüller die Automobilindustrie, wo man selbst als Bestandskunde häufig das Gefühl habe, in der Holzklasse zu sitzen. Wenn man sich ein schönes neues Auto zugelegt habe und irgendwann mal Service brauche, dann sei die Not oft groß:

„Am Telefon hängt man ewig in der Warteschleife. Am Servicecounter stehen die Kunden Schlange. Die jungen Damen hinter dem Counter sitzen wie Hühner auf der Stange, schauen gequält freundlich drein und sind völlig überfordert. Als ich letzten Herbst – zugegeben, es war Hochsaison – spontan zum Reifenwechsel vorsprach und bat, doch in der Werkstatt mal zu fragen, ob noch eine Lücke frei sei, hieß es entrüstet: ‚Der Meister bringt mich um, wenn ich da jetzt anrufe.’ So lernt man dann: Ist man erst mal Kunde, dann ist man nur noch lästig.“

Der Autoindustrie mangelt es insgesamt an der richtigen Kundenorientierung: „In der Produktion und Entwicklung herrscht die Meinung vor, dass sie so tolle Fahrzeuge herstellen, während der Vertrieb im Großen und Ganzen überflüssig ist und nur Geld kostet“, bestätigt Uwe Röhrig, Inhaber der Automobilberatung International Car Concept (ICC) in Hannover-Langenhagen und früherer Vertriebschef für Mercedes-Benz und Maybach.

„Dass diese Einschätzung falsch ist, sieht man allein in der Tatsache begründet, dass Autos im Wesentlichen immer noch über den Bauch, also mit einem sehr hohen Anteil an Emotionen, gekauft werden. Ansonsten würde der Internetverkauf ja schon bei annähernd 100 Prozent liegen. Doch davon sind wir auf der ganzen Welt noch Lichtjahre entfernt.“

Röhrig zufolge müssen die Sparten Entwicklung und Produktion neu lernen, den Kundennutzen viel stärker zu fokussieren, denn die Marken mit ihren Produkten verlieren dadurch, dass technischer Schnickschnack verbaut wird, deutlich an Wert. Diese Fehlentwicklung dürfe dann wieder der Vertrieb ausgleichen. Sehe man sich die immer widerkehrenden Testkäufe an, so jetzt zum Beispiel auf der Auto Mobil International (AMI) in Leipzig, dann könne man feststellen, dass im Verkauf die größten Defizite liegen.

„Diese Erfahrung machen wir in der Branche nun schon seit Jahrzehnten. Manche Verkäufer begrüßen den Kunden nicht, sie verfügen über keine Produkt- und Wettbewerbskenntnisse, sie bieten keine Kundennutzenargumentation an und auch keine Probefahrt, was immer noch ein sehr überzeugendes Verkaufsargument ist. Wie gesagt, die Emotion ist der kürzeste Weg ins Hirn. Und die bekommen sie zum Beispiel über den Fahrspaß bei einer Probefahrt.“

Das Biospritdebakel – Energiepflanzen als Klimakiller

Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hatten im vergangenen Jahr ihre Strategie zur Klima- und Energiepolitik im Biokraftstoffsektor der Öffentlichkeit vorgestellt und sie als wichtigen Beitrag zur Klima- und Energiepolitik sowie zur Entwicklung der ländlichen Räume gepriesen.

Biokraftstoffe, so das damalige Credo von Gabriel, können einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten – allerdings nur, wenn sie signifikant zur Kohlendioxid-Reduktion beitragen. „Das stellen wir gesetzlich sicher. Und außerdem sorgen wir dafür, dass importierte Biomasse zukünftig nur dann eingesetzt werden darf, wenn sie nachhaltig angebaut worden ist. Es kann nicht sein, dass anderswo auf der Welt Wälder gerodet und Moore trockengelegt werden, um Palmöl anzubauen, das dann bei uns als vermeintlich klimafreundlicher Rohstoff eingesetzt wird“, sagte Gabriel bei der Vorstellung der so genannten „Roadmap Biokraftstoffe“.

Allerdings warnten Experten schon vor Monaten davor, bei Biokraftstoffen zu ehrgeizige Ziele zu formulieren und dabei eine Antwort schuldig zu bleiben, woher die nachwachsenden Rohstoffe kommen sollen. „Nicht nur die technologische Verträglichkeit von Biosprit ist ein Schwachpunkt. In Deutschland fehlen die nötigen Anbauflächen. Von Importen sind wir auf jeden Fall abhängig. Zudem ist es höchst fragwürdig, weltweit eine künstliche Verknappung von Getreide in Kauf zu nehmen, die zu einer drastischen Verteuerung von Lebensmitteln führt. Schon jetzt ist der Preisdruck für die Verbraucher spürbar“, kritisiert Uwe Röhrig, Inhaber des Automobilberatungshauses International Car Concept (ICC) und ehemaliger Vertriebschef für Mercedes-Benz und Maybach.

Gabriel und Seehofer sollten endlich aufhören, der Öffentlichkeit unter dem Banner des Klimaschutzes knallharte Wirtschaftsinteressen der Öko- und Agrarlobby unterzujubeln. Für das Biosprit-Debakel seien beide verantwortlich. „Biosprit, Bionahrung oder Bioplastik – das Ganze ist ökologischer Etikettenschwindel. Wenn wir den heimischen Agrarsektor auf biologischen Anbau umstellen würden, müsste in Deutschland die Ackerfläche um sechs Millionen Hektar erweitert werden. Die ist aber nicht vorhanden, also wird kräftig aus Südamerika importiert. Ähnlich hoch wäre der Flächenbedarf, wenn wir aus eigener Kraft Agrotreibstoffe herstellen wollten. Bei Bioplastik ist die Entsorgung ungeklärt, also muss das Zeug verbrannt werden. Der ökologische Anspruch und die Wirklichkeit klaffen bei fast allen nachwachsenden Rohstoffen weit auseinander. Die Bezeichnung ‚Bio‘ ist eher ein ein Qualitätssiegel für Volksverdummung“, moniert Röhrig. Ein internationales Wissenschaftlerteam um den niederländischen Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen hat sogar nachgewiesen, dass die alternativen Kraftstoffe klimaschädlicher als Benzin sind. „Biosprit-Pflanzen“ – in Deutschland vor allem Mais und Raps – müssen stark gedünkt werden. Dadurch gelangt das gefährliche Stickoxid (N2O) in die Atmosphäre. Ein Teil dieses Treibhausgases wird durch chemische Reaktionen in Lachgas umgewandelt – ein über 300 mal stärker wirkendes Treibhausgas als Kohlendioxid. Crutzen und sein Team haben nachgewiesen, dass bei der Produktion von Biosprit fast doppelt so viel Stickoxid in die Atmosphäre gelangt, wie Wissenschaftler des UN-Klimarats IPCC bislang angenommen hatten. Im Vergleich zu normalem Benzin oder Diesel ist Raps-Benzin 1,7 mal klimaschädlicher und aus Mais hergestelltes Ethanol 1,5 mal. Selbst Ethanol aus Zuckerrohr kommt auf einen Faktor von 0,5. Auch wenn es die Agrarlobby nicht gerne hört, die kritischen Stimmen zu nachwachsenden Rohstoffen werden immer lauter. Das gilt auch für so genannte Biopolymerwerkstoffe, die auf Basis von Zucker, Stärke, Cellulose oder Pflanzenölen hergestellt werden. Die Ökobilanz fällt noch verheerender aus, wenn tropische Regenwälder gerodet werden, um Anbauflächen für Zuckerrohr zu gewinnen. Ähnlich negativ ist die ökologische Wirkung, wenn Palmöl aus Indonesien um den halben Globus verschifft werden muss, um es hier zu verarbeiten. 20 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen sind auf die Rodung von Wäldern zurückzuführen. Nach Berechnungen der Weltbank sei allein Indonesien durch das permanente Abholzen seiner Wälder mittlerweile zum drittgrößten Treibhausgasproduzenten geworden. 

Ähnlich sieht es der Münchner Publizist Miersch Miersch. Die Vorsilben „Öko“ und „Bio“ werden zur Zeit an alles Mögliche geklebt, ohne dass jemand nachfragt, ob die so geadelten Produkte oder Verfahren tatsächlich einen Umweltvorteil bieten. Nicht überall, wo „grün“ drauf steht, ist auch „grün“ drin. Was in der Bevölkerung als ökologisch gilt, habe meist mehr mit geschickter Imagepolitik von Interessengruppen zu tun als mit Fakten. „Bio ist prima fürs Klima!“ werben Ökoagrarverbände und fordern einen „Klimabonus“ für ihre Betriebe. Ihr Argument: Wir sparen Mineraldünger, zu dessen Herstellung fossile Brennstoffe verbraucht werden. Konventionelle Bauern kontern: „Mehr Milch pro Kuh ist aktiver Klimaschutz!“ Ihr Argument: Konventionelle Höfe erzeugen mehr Milch, Fleisch und Eier pro Tier. Auch erreichen die Tiere ihr Schlachtgewicht viel früher, leben also kürzer und brauchen weniger Futter. Ergo: Sie stoßen weniger klimaschädliches Methan aus.„Bei näherer Betrachtung erweisen sich viele angeblich grüne Lösungen als Mogelpackungen, die manchmal sogar mehr schaden als nützen“, so der Einwand von Miersch. Zweifelhaft ist beispielsweise der Versuch der französischen Regierung, per Dekret die Ausgabe nicht biologisch abbaubarer Kunststoff-Tragetaschen an den Kassen von Supermärkten zu verbieten. „In Wirklichkeit geht es um französische Agrarinteressen und um die Abschottung französischer Märkte“, kritisiert der Frankfurter Wissenschaftsjournalist Edgar Gärtner. Der Entwurf des französischen Dekrets beziehe sich lediglich auf einen bestimmten Typ von Plastiktüten, deren Gesamtmenge von jährlich 85.000 Tonnen gerade einmal 0,3 Prozent der französischen Haushaltsabfälle ausmacht. Würde zu deren Produktion jedoch Kartoffelstärke eingesetzt, könnte der Absatz von Stärkekartoffeln in Frankreich um 50 Prozent gesteigert werden. „Das zeigt, dass die französische Regierung mit ihrem Dekretentwurf nicht Abfallprobleme, sondern die Agrarförderung im Auge hatte“, so der Einwand von Gärtner.
 

PlasticsEurope, die Vertretung der europäischen Kunststoffhersteller, hat im Oktober 2006 und noch einmal im Mai 2007 in einem Schreiben an die EU-Generaldirektion Unternehmen und Industrie formell gegen den französischen Vorstoß Beschwerde eingelegt. Selbst die französische Umwelt- und Energieeffizienzbehörde ADEME warnte in der Auswertung einer 2004 für die Supermarktkette „Carrefour“ erstellten vergleichenden Produkt-Lebensweg-Analyse davor, den Einsatz biologisch abbaubarer Kunststoffe für Tragetaschen als per se umweltschonend hinzustellen. Wissenschaftlich unseriös ist nach Meinung von Umweltexperten auch die Behauptung, dass durch die Verwendung von biologisch-abbaubaren Verpackungen (BAW) kein Treibhauseffekt entstehe, da nachwachsende Rohstoffe durch Sonnenlicht aus Wasser und Kohlendioxid ständig neu gebildet werden: „Das gilt vielleicht für reines Pflanzenmaterial, aber nicht für Verkaufsverpackungen. Die industrielle Landwirtschaft, die Verpackungsherstellung und die angestrebte Kompostierung belasten die Umwelt. In der gesamten Produktionskette entstehen Kohlendioxid-Emissionen“, so der Einwand eines Vertreters der Entsorgungswirtschaft.

„Bioplastik-Herstellung verursacht umweltschädliche Emissionen“ – Interview mit dem Verpackungsexperten Christian Pladerer vom Österreichischen Ökologie-Institut in Wien

Frage: Hersteller und Interessenvertreter von Bioplastik behaupten, dass durch die Verwendung von biologisch-abbaubaren Verpackungen (BAW) kein Treibhauseffekt entstehe und diese Produkte CO2-neutral seien, da nachwachsende Rohstoffe durch Sonnenlicht aus Wasser und Kohlendioxid ständig neu gebildet werden. Was halten Sie von dieser Einschätzung?

Christian Pladerer: Ich halte wenig von dieser Einschätzung. Um die tatsächliche Umweltbelastung einer Verpackung festzustellen, müssen alle relevanten Umweltauswirkungen entlang des gesamten Lebensweges vom Abbau der Rohstoffe, inklusive Hilfsstoffe und Energieträger, über die Transportwege bis hin zur Entsorgung betrachtet werden. Es dürfen also nicht nur einzelne Emissionen wie CO2 für einzelne Abschnitte des Lebensweges berechnet werden. Es stimmt schon, dass Pflanzen im Gegensatz zu fossilen Rohstoffen durch Sonnenlicht aus Wasser und Kohlendioxid ständig neu gebildet werden. Ob das auch für Einwegverpackungsmaterial gilt, ist sehr fraglich: Die rohstoff- und energieintensive industrielle Agrarwirtschaft und Verpackungsherstellung sowie die von den BAW Herstellern empfohlene Kompostierung sind Aktivitäten, die umweltschädliche Emissionen verursachen. Aus meiner Sicht sind somit BAW-Verpackungen keinesfalls CO2-neutral.

Frage: In Ihrer Studie schreiben Sie, dass selbst die Kompostierung der PLA-Becher keinen nennenswerten ökologischen Nutzen bringen würde. Die Auswirkungen der Entsorgung seien nur marginal im Vergleich zur Herstellung der Becher. Die Möglichkeit der Kompostierung wird aber von den Herstellern immer wieder in den Vordergrund gestellt. Wie beurteilen Sie die Entsorgungsmöglichkeiten der PLA-Becher unter den verschiedenen Verwertungsmöglichkeiten (Verbrennung, Biogas, Kompost) und welche Umwelteffekte hat das auf die gesamte Ökobilanz der PLA-Becher?

Pladerer: Die privaten und kommunalen Kompostwerke in Österreich, in Deutschland und in der Schweiz, die Kompost mit hoher Qualität herstellen, sind wenig begeistert von der Diskussion über ‚kompostierbare’ Kunststoffe. Hier muss zwischen biologisch abbaubar und kompostierbar unterschieden werden. Organische Materialien wie Küchenabfälle, Strauchschnitt oder Papier sind biologisch abbaubar. Durch natürliche Prozesse und durch Mikroorganismen sind diese Materialien in ihre Bausteine zerlegbar. Kompostierung ist eine technisch gesteuerte exotherme biologische Umwandlung abbaubarer organischer Materialien in ein huminstoffreiches organisches Material. Ziel der Kompostierung ist der möglichst rasche und verlustarme Abbau der organischen Ursprungssubstanzen und gleichzeitig der Aufbau stabiler, pflanzenverträglicher Humussubstanzen. Dass ein Werkstoff biologisch abbaubar ist, bedeutet noch lange nicht, dass diese Umwandlung in einem Rotte- oder Mieteprozess der technischen Kompostierung tatsächlich im gewünschten Ausmaß erfolgt. Im Unterschied zu ‚biologisch abbaubar’ wird für ‚kompostierbar’ ein Zeitrahmen vorgegeben. Es fehlt nun an der Glaubwürdigkeit, dass biologisch abbaubare Kunststoffe auch kompostierfähig sind. Zusätzlich werden BAW-Verpackungen wie herkömmliche Kunststoffverpackungen von automatischen und mechanischen Sortierschritten erkannt und als Fremdstoff aussortiert. Das gilt nicht nur für die Kompostierung sondern auch für Biogasanlagen. Schließlich bleibt die Müllverbrennungsanlage als einzige derzeit praktikable Entsorgungsschiene übrig. Die Ergebnisse unserer Ökobilanz von verschiedenen Getränkebechern zeigen deutlich, dass die Rohstoffbereitstellung und die Becherherstellung beim PLA Becher (biologisch abbaubarer Einwegkunststoffbecher) rund 95 Prozent der gesamten Umweltbelastung ausmachen.

Frage: Ist die Kompostierung von Bioplastik überhaupt sinnvoll? Was sagen die Kompostbetreiber?

Pladerer: Von den Kompostwerken wird die Annahme von biologisch abbaubaren Kunststoffen zur Zeit nicht akzeptiert. Sie haben eine längere Verweilzeit und einen zu hohen Störstoffanteil.

Frage: Was halten Sie von der vom Bundestag und der Bundesregierung beschlossenen Novelle der Verpackungsverordnung, biologisch-abbaubare Verpackungen von Verwertungspflichten freizustellen? Welche Wirkung wird das auf die Verpackungsindustrie haben?

Pladerer: Die Novellierung der deutschen Verpackungsverordnung ist aus ökologischer Sicht nicht nachvollziehbar und es gibt für den Gesetzgeber keine Rechtfertigung, biologisch abbaubare Verpackungen von den Entsorgungspflichten und damit von den Kosten zu befreien. Wie oben angeführt, landen biologisch abbaubare Kunststoffe in den Öfen der Müllverbrennungsanlagen – und diese brennen auch nicht ‚gratis’. Aus meiner Sicht ist die Reaktion der Verpackungsindustrie natürlich verständlich, da unterschiedliche Entsorgungskosten auch zu Wettbewerbsverzerrungen führen können. Ökologische Lenkungsmaßnahmen über Entsorgungskosten sind prinzipiell zu begrüßen.