Ein Herz für Wertvernichtungsanlagen? Die Müllverbrennung und das Kreislaufwirtschaftsgesetz

Am 8. Februar gehen die Beratungen im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in eine neue Runde:

„Erwartet wird seitens Beteiligten, dass ein Kompromiss im Streit um die Gleichwertigkeitsklausel für gewerbliche Sammlungen von Abfällen bei privaten Haushalten gefunden wird. Das Bundesumweltministerium hatte nach der Vertagung des Ausschusses im Dezember einen geänderten Formulierungsvorschlag zur Diskussion gestellt. Sinn und Zweck der Gleichwertigkeitsklausel ist, gewerbliche Sammlungen zuzulassen, wenn ihr Leistungsangebot wesentlich leistungsfähiger ist als das eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers und des von diesem beauftragten Dritten. Besonders geschützt sein sollen zudem die von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern durchgeführten Ausschreibungen – auch dann, wenn das Serviceangebot des gewerblichen Sammlers wesentlich leistungsfähiger ist“, schreibt der Fachdienst Euwid.

Eigentlich streiten die Parteien ja nur über Sinn und Unsinn einer Ausweitung der Wertstoffsammlung, die über Einwegverpackungen hinausgeht. Was ja sehr sinnvoll ist, die Betreiber von kommunalen Verbrennungsöfen aber nicht glücklich macht. Deshalb drohen Lobbyisten der Kommunen mit einer Erhöhung der Müllgebühren. Vielleicht sollten sich die Adepten der Müllverbrennungsanlagen die Frage stellen, wie lange sie ihre Kirchturmspolitik eigentlich noch fortsetzen wollen. Der energetische Wirkungsgrad der feurigen Wertvernichtungsanlagen ist lächerlich gering und passt ja nicht mehr so ganz zur angestrebten Energiewende. Um fossile Energieträger einzusparen, müssen die Anstrengungen bei der Gewinnung von Sekundärrohstoffen erhöht werden. Bei normalen Abfällen geht das über eine Wertstofftonne, für höherwertige Verfahren, die man beispielsweise für Handys benötigt, könnte es andere Rücknahmesysteme geben – etwa in den Büros von Firmen und Behörden. Siehe auch den Bitronic-Blogpost: Mehr Einfallsreichtum beim Recycling von Altgeräten.

Nur ein Prozent der Seltenen Erden werden über Recyclingverfahren wiedergewonnen. 99 Prozent gehen über die klassische Müllentsorgung verloren.

Vorbildlich ist das TerraCycle-Projekt des Jungunternehmers Tom Szaky. In seinem Blog schreibt er:

At TerraCycle, we’ve done similar things. My book, Revolution in a Bottle, about the company’s early days, generated almost six figures in income for the company, while also getting out the word about our products. I’m in the process of writing a second book, and our design team is working on one, too. We’re also producing a magazine that will discuss the science of garbage and suggest crafts projects that make use of garbage (and when readers are done, they will have instructions on how to turn the magazine into a fruit bowl). We are partnering on the magazine project with a publishing house. We oversee production of the content, and the publisher finds the advertisers. Of course, we get a cut of the advertising revenue.

We also recently introduced a Facebook game called Trash Tycoon. The idea is that a game player lands in a city covered in garbage and wins points for cleaning it up. The player can then build recycling facilities, trash cans, and other things that help clean up the city faster. After just one month, Trash Tycoon already has 360,000 active users. The game, which promotes the TerraCycle brand, was developed by Guerilla Apps at no cost to us. We are partners on all of the advertising revenue.

„Zwei Milliarden Verpackungen hat Terracycle bereits in 15 Ländern gesammelt und zu Flugdrachen, Toilettensitzen oder Lautsprechern weiterverarbeitet“, so die Wirtschaftswoche. Diese Idee, mit der er in den USA bekannt geworden ist, will Tom Szaky auch nach Deutschland bringen – er hat wohl auch schon Vertragspartner gewonnen (darüber berichte ich in den nächsten Wochen). Wäre doch eine prima Idee, wenn sich die Damen und Herrn des Vermittlungsausschusses mal Gedanken machen, ob es beim Kompromiss über das Kreislaufwirtschaftgesetz auch Raum für smarte Recyclingideen gibt, die mir bislang in der kommunalen Verwaltung noch nicht über den Weg gelaufen sind.

Mit der thermischen Müllgebühren-Logik der Kommunen sind solche Umweltprojekte sicherlich nicht umsetzbar.

„Falls der Ausschuss einen Kompromiss erzielt, können Bundestag und Bundesrat noch am 9. und 10. Februar das Kreislaufwirtschaftsgesetz verabschieden. Es würde dann vollständig zum 1. Juni oder 1. Juli 2012 in Kraft treten“, so Euwid. Mal gucken, was dabei raus kommt.

Hier die deutsche Facebook-Präsenz von TerraCycle.

Textilketten und der Kontrollverlust bei Schafen: Warum man angeblich nicht nachhaltig einkaufen kann

Der Herr Dr. Schäfer, Leiter Recht und Steuern vom Gesamtverbandes textil+mode, hat ein sehr metaphorisches Verhältnis zum Schaf. Denn in seinem Powerpoint-Vortrag beim Nachhaltigkeitskongress im Bonner Beschaffungsamt stellte er sich mit dem Foto eines Schafes vor. Wenn man Schäfer heißt, liegt das ja auf der Hand. Früher weidete das Schaf in Deutschland und die Wolle wurde im eigenen Land verarbeitet. Von der Spinnerei, über die Weberei, Färbung bis zum Nähen. Dann wurden die Endprodukte verkauft. Heute sei ja alles so komplex, kompliziert und internationalisiert. Es seien so viele Akteure mit im Spiel, dass es sehr schwierig sein wird, einen nachhaltigen Einkauf sicherzustellen. Und wenn dann noch NGOs mit ihren Wünsch-Dir-was-Vorstellungen kommen, dann gewinnt man den Eindruck, hier gehe es gar nicht mehr um die Wirtschaftlichkeit. Mit dem bunten Strauß an Vorschlägen, den die NGOs für die Nachhaltigkeit machen, bleibe der Gewinn auf der Strecke. Alles im Youtube-Video anzuhören und anzuschauen – ein elfminütiger Zusammenschnitt der Rede von Herrn Dr. Schäfer. Er war gar nicht einverstanden mit meinem ersten Beitrag über die Tagung des Vergabeblogs im Beschaffungsamt:

Hallo! (merkwürdige Anrede, Herr Dr. Schäfer, gs)
Ich bin schon ein wenig enttäuscht über die Bewertung unserer Position. Diese ist nicht korrekt wiedergegeben. Das ist sicherlich kein Weg, der zu einem Dialog zwischen Beschaffern, NGOs und Herstellern führt – im Gegenteil.
MfG
C. Schäfer

Das Schaf leidet also unter Kontrollverlust: Nun nehmen wir einfach mal an, das Schaf von Herrn Schäfer wird geschlachtet. Dann läuft eine ebenso komplexe und nicht weniger anspruchsvolle Kette irgendwann zum Supermarkt meines Vertrauens (Kühlkette, Lebensmittelhygiene zu beachten – muss man in der Textilindustrie nicht).

Die Verkäuferin kann mir über eine vernetzte und intelligente Display-Waage mitteilen, wo das Schaf weidete, was es gefressen hat, wie es gefüttert wurde, wann und wo es geschlachtet wurde, wie und wo es verarbeitet wurde und welcher Teil des Schafes als Lammbraten auf meinem Teller landet. Wenn ich möchte, bekomme ich diese Informationen auf meinem Einkaufsbon ausgedruckt zusammen mit einer Rotwein-Empfehlung und einem Rezept von Alfons Schuhbeck. Entweder ist das Schaf von Herrn Schäfer schizophren oder die Textilketten leiden unter Alzheimer.

Oder stellen wir uns mal vor, man quantifiziert das Schaf in der Textilkette bei der Herstellung eines T-Shirts. Was wäre, wenn sich die bislang nicht berücksichtigten ökologischen und sozialen Kosten genau quantifizieren und zuordnen ließen? Das günstigste T-Shirt wäre dann jenes, dessen Produktion Umwelt und Gesellschaft am wenigsten schadet. Schnäppchen-Jäger würden dann ohne es zu wollen, einen positiven Beitrag für die Nachhaltigkeit beitragen. Und funktioniert schon heute. Wie das genau gehen könnte, erläuterte ich in meiner Montagskolumne, die ich schon heute fertigstellen werde, da ich am Wochenende meine Liebste heirate 🙂

Der Müll und die klebrigen Finger in Bonn: Warum zu große Müllverbrennungsanlagen überleben


„Hier enden ich“. Das soll Cassius zu Florentus gesagt haben, bevor beiden in Bonn-Endenich hingerichtet wurden, so eine Lateinlehrer-Legende. „Gönnen wir das doch einfach unserer Müllverbrennungsanlage. Seit Inbetriebnahme 1992 hat sich der Bonner Müll auf ein Drittel der Verbrennungskapazität reduziert. Trotzdem soll die Müllverbrennungsanlage sogar noch erweitert werden, für 13,5 Millionen Euro. Zwei Millionen kämen für die Altbestandssanierung hinzu, mindestens. Das alles für den Mülltourismus, den kein Mensch braucht? Nein die überflüssigen zwei Drittel sparen wir besser durch Rückbau ein. Unsere Lungen und Nachfahren werden es uns danken“, nachhaltig“, schreibt der Bonner Rechtsanwalt Dr. Claus Recktenwald in einem Leserbrief, der im General Anzeiger erschienen ist. Auslöser des Empörungsschreibens war ein Artikel von Rolf Kleinfeld: „Mehr Platz für den Müll“.

An der Gesamtkapazität wird zwar nichts geändert. Die 13,5 Millionen Euro werden für einen Ersatzbunker ausgegeben, um den laufen Betriebs der MVA sicherzustellen. An der Idiotie der Überkapazitäten ändert das allerdings auch nichts. Wie das zustande kam, beschreibt Claus Recktenwald übrigens in seinem Handheld-Roman „Juckeldiduckel“ – Kapitel „TA-Siedlungsabfall“: Dort kann man einiges lesen, wie man der Kommune eine überdimensionierte MVA aufschwatzt, wie man die Müllmassen falsch kalkulierte, wie das Wertstoffrecycling als Störenfried wahrgenommen wird und warum es bislang keinen Rückbau der Anlage gab. Das packe nur keiner an, „zu viele haben noch vom Aufbau klebrige Finger“, so Recktenwald.

Und genau hier liegen die Schwachpunkte der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, die kürzlich im Bundestag beschlossen und noch vom Bundesrat abgesegnet werden muss. Die schwarz-gelbe Koalition hatte erklärt, möglichst rasch eine erweiterte Wertstoffsammlung in Deutschland einführen zu wollen. Wer denn Zugriff bekommen soll, regelt die das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht. Diese Frage soll in einem eigenen Wertstoffgesetz festgelegt werden – wahrscheinlich im nächsten Jahr.

Der Kampf um jede nur erdenkliche Tonne Müll ist also vorprogrammiert, da die Novelle an diesem Punkt schwammig formuliert ist: Demnach könnten gewerbliche Sammlungen eingeschränkt oder verboten werden, wenn sie die „Gebührenstabilität“ gefährden oder die Vergabe von Entsorgungsleistungen im Ausschreibungswettbewerb erschweren oder unterlaufen würden. Der Grundsatz laute zukünftig: Wenn die Kommune die Wertstoffe der Haushalte selbst effizient erfasst und hochwertig verwertet, soll sie durch gewerbliche Sammlungen nicht daran gehindert werden. Wenn sie dieses Angebot nicht machen kann oder will, kann sie ein besseres Serviceangebot des gewerblichen Sammlers an die Haushalte nicht verhindern.

Die kommunalen Gebietskörperschaften hatten schon im Vorfeld der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes auf die negativen Konsequenzen einer erweiterten Wertstofferfassung für die Höhe der Müllgebühren hingewiesen. Die Logik der Müllgebühren-Kalkulation giert nach mehr Müll in der Restmülltonne, um die überdimensionierten Müllverbrennungsanlagen der auszulasten. Wo das hinführt, kann man in den kommunalpolitischen Niederungen der rheinischen Tiefebene besichtigen mit teuren und zu großen MVAs in Bonn, Leverkusen und Köln. Aber wer redet heute noch über die Schmierenkomödie und die klebrigen Finger, die der Journalist Werner Rügemer so treffend als „Colonia Corrupta“ entlarvt hat? Die Zeche zahlen die Privathaushalte im Rheinland mit überhöhten Müllgebühren. Ökologische Faktoren wie Abfallvermeidung, Wiederverwendung, Reparatur, Recycling, Energiegewinnung oder die Reduktion des Verbrauchs fossiler Energien sucht man in der Restmüll-Kalkulation der Stadtkämmerer vergeblich. Die Betriebskosten orientieren sich an der Tonnage. Je mehr Müll in den Verbrennungsöfen landet, desto geringer sind die Müllgebühren pro Tonne. Wird eine Müllverbrennungsanlage nicht ausgelastet, fallen „Leerkosten“ an, die zu einem Anstieg der Müllgebühren führen. „Die in Deutschland aufgebaute Überkapazität von Müllverbrennung war ein schwerer umweltpolitischer Fehler, auch wenn sie meist ‚ökologisch‘ begründet wurde“, kritisiert Ernst von Weizsäcker, Ko-Präsident des Internationalen Ressourcenpanels, gegenüber dem Debattenmagazin The European.

Wenn also das Ziel der Gebührenstabilität von den Kommunalpolitikern ins Feld geführt wird, könnte sehr schnell der hehre Grundsatz der Nachhaltigkeit auf der Strecke bleiben und dem Grundgedanken der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zuwiderlaufen. Der Gesetzgeber sollte daher ähnlich vorgehen wie in der Telekommunikation. Klare Regeln für die Kreislaufwirtschaft formulieren und über die Bundesnetzagentur als neutrale Stelle überwachen lassen. Zudem sollten wir uns endgültig von den ineffizienten Müllverbrennungsanlagen verabschieden – mit denen ist kein Staat und schon gar keine Energiewende zu machen.

Müllgebühren-Politik der Kommunen ist nicht öko-logisch #Kreislaufwirtschaftsgesetz

Nach Informationen der FAZ legt die Koalition den Streit über die Reform des Kreislaufwirtschaftsgesetzes bei. Die Einigung soll den Wettbewerb beleben und das Recycling verbessern.

Der Gesetzgeber hat sich über zwanzig Jahre Zeit gelassen, nicht nur die Rohstoffressourcen von Elektronikschrott, Altautos und Verpackungsmüll ökologisch sinnvoll zu nutzen, sondern auch die großen Potenziale des Hausmülls zu erschließen. Die Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes soll dazu dienen, noch mehr Abfälle zu verwerten, die bislang in der Restmülltonne landeten.

Der Bundestag will das Gesetz am Freitag beschließen. Doch könnte die SPD, die sich für die Interessen der kommunalen Betriebe eingesetzt hatte, das Gesetz im Bundesrat blockieren. Der Kern des Streites ist die Furcht der Kommunen, einen Teil des Abfallstromes zu verlieren.

Weizsäcker: „Die in Deutschland aufgebaute Überkapazität von Müllverbrennung war ein schwerer umweltpolitischer Fehler“

Die Logik der Müllgebühren-Kalkulation giert nach mehr Müll in der Restmülltonne, um die überdimensionierten Müllverbrennungsanlagen der Kommunen auszulasten. Wo das hinführt, kann man in den kommunalpolitischen Niederungen der rheinischen Tiefebene besichtigen mit teuren und zu großen MVAs in Bonn, Leverkusen und Köln. Aber wer redet heute noch über die Schmierenkomödie, die der Journalist Werner Rügemer so treffend als „Colonia Corrupta“ entlarvt hat. Die Zeche zahlen die Privathaushalte im Rheinland mit überhöhten Müllgebühren. Ökologische Faktoren wie Abfallvermeidung, Wiederverwendung, Reparatur, Recycling, Energiegewinnung oder die Reduktion des Verbrauchs fossiler Energien sucht man in der Restmüll-Kalkulation der Stadtkämmerer vergeblich.

Die Betriebskosten orientieren sich an der Tonnage.<

Je mehr Müll in den Verbrennungsöfen landet, desto geringer sind die Müllgebühren pro Tonne. Wird eine Müllverbrennungsanlage nicht ausgelastet, fallen „Leerkosten“ an, die zu einem Anstieg der Müllgebühren führen. „Die in Deutschland aufgebaute Überkapazität von Müllverbrennung war ein schwerer umweltpolitischer Fehler, auch wenn sie meist ‚ökologisch‘ begründet wurde“, kritisiert Ernst von Weizsäcker, Ko-Präsident des Internationalen Ressourcenpanels, gegenüber dem Debattenmagazin „The European“. Mein Müllepos ist dort heute erschienen.

Bei den ehrgeizigen Zielen, die sich die Bundesregierung in der Energiewende gesetzt hat, wäre es doch ein Treppenwitz, sich in der mehr als fragwürdigen Kameralistik der Gebietskörperschaften zu verheddern. MVAs sind Energiefresser mit beschämend schlechten Wirkungsgraden bei der Strom- und Wärmegewinnung – von der aufwändigen Rauchgasreinigung und der Entsorgung der MVA-Schlacke mal ganz abgesehen. Mit diesen technologischen Dinosauriern ist kein Staat zu machen. In der Umwelt- und Energiepolitik sollte man jetzt aufpassen, sich nicht in kleinkarierten Kämpfen um die Entsorgungshoheit von Plastikbechern zu verlieren. Daran sind leider auch die Herrscher über Gelbe Tonnen und Säcke nicht ganz unschuldig, die mit Phantasierechnungen die Entsorgungspreise nach unten mogeln (Siehe: Alles klar beim Clearing? Die buchhalterischen Wunder des Gelbe Tonnen-Systems http://ne-na.de/alles-klar-beim-clearing-die-buchhalterischen-wunder-des-gelbe-tonnen-systems-ein-fall-fuer-das-bundeskartellamt/001133)

Der Gesetzgeber sollte ähnlich vorgehen wie in der Telekommunikation. Klare Regeln für die Kreislaufwirtschaft formulieren und über die Bundesnetzagentur überwachen lassen – fernab von egoistischen Zielen von Kommunen und Entsorgungskonzernen.

Kleine hausmeisterliche Korrektur in Richtung des FAZ-Redakteurs.

So schreibt Andreas Mihm: „Bisher dürfen nur vorher durch den ‚grünen Punkt‘ lizenzierte Verpackungen in den Wertstofftonnen oder gelben Säcken entsorgt werden.“

Mensch Mihm. Auch die WAZ hat diesen Blödsinn schon geschrieben. Die Zeiten der Alleinherrschaft sind durch Interventionen des Bundeskartellamtes und der EU-Kommission schon lange vorbei. Mittlerweile muss sich der gewinnorientierte Grüne Punkt-Müllkonzern mit acht Konkurrenten um Marktanteile streiten. Da war es nur logisch, dass der Gesetzgeber in der fünften Novelle der Verpackungsverordnung die Kennzeichnungspflicht für Hersteller und Vertreiber in Deutschland abschaffte. Die Beteiligung an einem „Dualen System“ erfolgt nicht mehr durch den Aufdruck des Grüne Punkt-Zeichens.

Es läuft wie bei den Goldbärchen in der Thomas Gottschalk-Werbung. Sie gelten ja auch nicht als Symbol für die Süßwaren-Industrie, sondern stehen für ein einziges Unternehmen: Haribo. Beim Grünen Punkt ist es die Duales System Deutschland GmbH in Köln – nicht mehr und nicht weniger.

Siehe auch:
Floskeln und Sonntagsberichte: Warum wir in Fragen der Nachhaltigkeit nicht vorwärts kommen.

Merkwürdige Mengenlehre mit Gelben Tonnen und Säcke

In Arnsberg gibt es Sackmangel, der die Bürger auf die Barrikaden treibt und auch bei den Systembetreibern steigt der Wutpegel.

Der Müllkonzern DSD mit dem Erkennungszeichen „Der Grüne Punkt“ verlor vor einigen Jahren seine Alleinherrschaft und steht mittlerweile im Wettbewerb mit acht weiteren Dualen Systemen, die ihre Dienstleistungen für die Mülltrennung über Gelbe Tonnen, Container und Säcke anbieten. Wie in der Telekommunikation macht es auch in der Recyclingwirtschaft keinen Sinn, eine Vielzahl von unterschiedlichen Systemen für die Infrastruktur zu etablieren. Kein Verbraucher möchte sich neben der Blauen und Grauen Tonne, noch neun weitere Tonnen für jedes Duale System vor die Haustür stellen. Alle Wettbewerber greifen also auf ein einziges Erfassungssystem zurück.

Um Ungleichgewichte bei der Lizenzierung und der Sammlung von Verpackungen zu vermeiden, wurde eine so genannte Clearingstelle aus der Taufe gehoben. Konsumgüterindustrie und Handel, die Verpackungen in Deutschland auf den Markt bringen, schließen Verträge mit den Dualen Systemen für die Entsorgungsdienstleistungen ab. Und da kann es im Laufe des Jahres natürlich zu Vertragskündigungen und Anbieterwechsel kommen. Die Clearingstelle soll diese Schwankungen ausgleichen.

Wer wenig meldet, gewinnt

Und genau hier fängt das Problem an: Nehmen wir einmal an, einer der neun Dualen Systeme hat einen Marktanteil von 50 Prozent erreicht und meldete der Clearingstelle nur 40 Prozent. Dann muss dieses Unternehmen zehn Prozent nachkaufen und in einen gemeinsamen Topf einzahlen. Dieses Geld wird dann nach den gegenwärtigen Marktanteilen an die neun Dualen System aufgeteilt. Soweit so gut. Ein Rechenbeispiel macht allerdings deutlich, dass die Väter des Clearingsystems in mathematischen Fragen nicht zu den Höchstleistern zählen. Stellen wir uns vor, in Deutschland wären jährlich 1.000 000 Tonnen Verpackungen im Umlauf. Das System mit dem Marktanteil von 50 Prozent hatte im Laufe des Jahres aber nur 40 Prozent gemeldet. Es muss für 10 Prozent und einem Tonnage-Preis von 800 Euro nachkaufen und die Summe in den gemeinsamen Topf einzahlen. Das wären dann 100.000 Tonnen zu einem Gesamtpreis von 80 Millionen Euro. Mit dem aktuellen Markanteil von 50 Prozent bekäme das nachzahlende Unternehmen aus dem gemeinsamen Topf den Betrag von 40 Millionen Euro zurück. Auf wundersame Weise reduziert sich dann der Tonnage-Preis auf nur 400 Euro und liegt weit unter den marktüblichen Preisen der Konkurrenz.

Entsprechend steigt der Spielraum für die Gewinnung von Neukunden in der Konsumgüterindustrie und im Handel. Für die kleinen Anbieter ein eklatanter Wettbewerbsnachteil. Ein dummer Fehler. Logisch wäre eine Regelung, die das nachkaufende Unternehmen von den Ausgleichszahlungen ausschließt.
Komplette Story unter: Alles klar beim Clearing? Die buchhalterischen Wunder des Gelbe Tonnen-Systems – Ein Fall für das Bundeskartellamt

Der Grüne Punkt und die Goldbärchen von Thomas Gottschalk #derwesten

Für NeueNachricht schrieb ich folgenden Artikel: Die WAZ-Gruppe und der Grüne Punkt-Irrtum in Hagen: Nicht nur Verpackungen mit dem Logo des früheren Müllmonopolisten gehören in Gelbe Säcke und Tonnen:

Bei der Lektüre eines Artikels der WAZ über ärgerliche Fehlwürfe in Gelben Säcken und Tonnen fragt sich ein Fachredakteur, ob diese Meldung im Jahr 2001 geschrieben wurde und irrtümlich noch heute bei Google News abrufbar ist. Falls die Story aktuell sei, habe da jemand rund zehn Jahre der Entwicklung auf dem Markt der Verpackungsentsorgung verpennt. Da gab es noch einen Monopolisten für die Sammlung und Sortierung von Verkaufsverpackungen. Kennzeichen der Kölner Firma Duales System Deutschland: Der Grüne Punkt.

Die Zeiten der Alleinherrschaft sind durch Interventionen des Bundeskartellamtes und der EU-Kommission schon lange vorbei. Mittlerweile muss sich der gewinnorientierte Grüne Punkt-Müllkonzern mit acht Konkurrenten um Marktanteile streiten. Da war es nur logisch, dass der Gesetzgeber in der fünften Novelle der Verpackungsverordnung die Kennzeichnungspflicht für Hersteller und Vertreiber in Deutschland abschaffte. Die Beteiligung an einem „Dualen System“ erfolgt nicht mehr durch den Aufdruck des Grüne Punkt-Zeichens.

Es läuft wie bei den Goldbärchen in der Thomas Gottschalk-Werbung. Sie gelten ja auch nicht als Symbol für die Süßwaren-Industrie, sondern stehen für ein einziges Unternehmen: Haribo. Beim Grünen Punkt ist es die Duales System Deutschland GmbH in Köln – nicht mehr und nicht weniger. Warum schreibt dann der WAZ-Redakteur Hubertus Heuel, dass der Müll-Wissenschaftler (welcher Müllwissenschaftler? gs) zwischen Materialien unterscheidet, die den Grünen Punkt besitzen und solchen, denen diese Markierung fehlt.

„Im Gelben Sack landen dürfen jedoch nur DSD-Produkte. Deren Entsorgung ist im Verkaufspreis inbegriffen“, so Heuel. Als Beispiel führt er einen Buchhändler an, der an einem Wertstoffhof in Hagen mit seinem Gelben Sack wieder nach Hause geschickt wurde. Der Mann hatte zwar nur Verpackungsmaterial fein säuberlich getrennt, aber eben ohne Grünen Punkt. Dieser Entwicklung wolle man in Hagen Einhalt gebieten. Heuel zitiert die Pressesprecherin Jacqueline Jagusch mit den Worten: „Unsere Leute sollen verstärkt darauf achten, dass kein Müll ohne DSD-Zeichen abgegeben wird.“ Verpackungen ohne Grünen Punkt könnten ausschließlich an der Müllverbrennungsanlage in Boelerheide abgegeben werden. Gegen zehn Euro Gebühr dürfe jeder Hagener dort eine ganze Kleinwagenladung voll Abfall anliefern.

Ob nun die Pressesprecherin falsch zitiert wurde oder nicht. Im Gespräch mit NeueNachricht dementiert sie diese Äußerungen: „Der Grüne Punkt als Kennzeichen ist überhaupt nicht ausschlaggebend. Entsponnen hatte sich die WAZ-Geschichte, dass jemand Transportverpackungen an dem Wertstoffhof entsorgen wollte. Es ist immer schwierig, diese komplexe Sache jemanden telefonisch klarzumachen. Ich habe mit dem Herrn telefoniert und gesagt, dass unterschieden wird zwischen Transport- und Verkaufsverpackungen. Es handelte sich beim WAZ-Fall um Transportverpackungen eines Buchhändlers“, so Jagusch. Das gehe in die Kategorie „Gewerbeabfall“. „Den kann er bei uns über eine Pauschale anliefern“. Das habe aber nichts mit der Entsorgung über Gelbe Säcke oder Tonnen zu tun. Die Pressesprecherin wolle mit dem Redakteur, der leider im Urlaub sei, noch einmal sprechen und den Sachverhalt richtigstellen.

Diesen Artikel veröffentlichte ich am 23. August. Eine Korrektur habe ich bislang auf der Website „Der Westen“ nicht lesen können.

Die zauberhaften Hexereien der Gelben Tonnen-Herrscher: Mystik des Grünen Punktes und parareligiöse Erscheinungen


An dieser Stelle habe ich mich ausführlich mit der Mülltonnen-Verschwörung auseinandergesetzt: „Warum kleine grüne Männchen Gelbe Tonnen durchwühlen und Gelbe Säcke aufschlitzen“. Nun legt der Bonner FAZ-Korrespondent Helmut Bünder nach und erweitert die Müllschwund-Forschung mit den Möglichkeiten von Zaubertricks der Müllmagier. „Fast 400.000 Tonnen Plastikabfall waren monatelang spurlos verschwunden. Jetzt sind sie wieder da“.

Eine kleine Korrektur sei an dieser Stelle erlaubt. Plastikabfall genießt ja nun nicht gerade den besten Ruf. Aber in dieser Müllschwundmenge sollen auch Weißblech, Alu und so genannte Verbundverpackungen mit im Spiel sein. Also all das, was wir so täglich in Gelbe Tonnen und Säcke werfen (sollen). Wenn also Müllmagier mit ihren Zaubertricks verantwortlich sind für das circensische Tonnen-Spektakel, bleibt noch die Frage zu beantworten, mit welchen Methoden die Abfall-Illusionisten vorgehen. Handelt es sich um den Bechertrick, das Kümmelblättchen, die vertauschten Glocken oder gar um die Svengaki-Wunderkarten?

Es könnte natürlich auch um spirituelle, metaphysische Bedürfnisse und parareligiöse Erscheinungen drehen: Telepathie, Materialisationsphänomene, Telekinese und Psi-Anomalien sind ja heutzutage keine Seltenheit. Bedrohlicher wäre ein Mephisto-Pakt beim Gelbe Tonne-Eroberungsplan. Dem wollten ja sechs Duale Systeme Einhalt gebieten über den Einsatz von Exorzisten. Im Abfalljargon heißen die Wirtschaftsprüfer. Siehe dazu auch den Beitrag: Der Müllschwund-Spuk und die Zertifikatsbürokratie der Entsorgungswirtschaft: Neue Hindernisse für Recyclingwettbewerb.

Neben der nun aufgeklärten Müllschwund-Verschwörung sollten die Wirtschaftsprüfer über Zertifikate gegen den Teufelspakt von Müllbetrügern vorgehen. Von der Wirkung der Teufelsaustreibung war der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) fest überzeugt: „Mit diesem Zertifikat haben wir ein Instrument entwickelt, das die Fähigkeit besitzt, für Stabilität und Nachhaltigkeit im Verpackungsmarkt zu sorgen“, so BDE-Präsident Peter Kurth. Und nun scheint sich die Branche in einem Teufelskreis zu bewegen. Denn nach dem zauberhaften Bericht der FAZ haben sich zwar sechs Gelbe Tonnen-Sammelunternehmen dem Regime der Müll-Exorzisten unterworfen.

Geholfen hat es nicht. „Wir sehen die Qualitätssicherungsinitiative des BDE als gescheitert an“, sagt Herwart Wilms, der Geschäftsführer von Ekopunkt, nach dem FAZ-Bericht. Denn gemogelt werde offensichtlich ausgerechnet von einigen der Unternehmen, die im BDE die Selbstverpflichtung unterschrieben haben. Aus ihrem Kreis stamme die „weit überwiegende Menge“ der Eigenrücknahme, kritisiert Wilms, der sich dabei auf eine Auswertung durch die BDO-Prüfer beruft. Ein weiteres Engagement in der Verbandsinitiative hält er deshalb für zwecklos. Unter den sechs geläuterten Systemen sollen sich also Abtrünnige bewegen.

Zur Auswahl stehen jetzt also folgende sechs Verdächtige: Duales System Deutschland, Eko-Punkt, Interseroh Dienstleistung, BellandVision, Zentek und Veolia Umweltservice Dual. Bei der Zahl Sechs kommen wir dann sehr schnell zur Hexerei. „Die Bezeichnung für die Zauberei einer Hexe hat eine lange Geschichte, die mit den Bedeutungen der Zahl Sechs – griechisch Hex, meist hexa-, lateinisch sex, verwandt mit dem ägyptischen sexen, ‚umarmen, begatten‘, – zusammenhängt. Die Zahl Sechs symbolisiert die Vereinigung der Dreifachen Göttin mit ihrem den Dreizack tragenden Gemahl und galt deshalb überall als die Zahl der geschlechtlichen Vereinigung. Aus diesem Grund bezeichnet die christliche Kirche die Sechs als ‚die Zahl der Sünde‘.“ Nachzulesen unter Hexenverfolgung und Inquisition.

Der Abfallexperte Sascha Schuh von der Bonner Beratungsfirma Ascon präsentiert im Interview erweitert den Müllschwund-Exkurs mit der Theorie „Die Kritiker der Elche sind selber welche“. Auch er umkreist dabei die Zahl Sechs. Die Diskussion über so genannte Branchenlösungen und Eigen-Rücknahmen, die den Gelben Tonnen das Innenleben aussaugen, sei bigott: 80 Prozent der Branchenlösungen werden von den Dualen System selber betrieben (siehe Interview ab der Minute 16:50). Einer dieser sechs dualen Systeme habe einen großen Anteil an Verkaufsverpackungen aus dem Müllstrom rausgenommen. Hier soll es sich um 125.000 Tonnen handeln.

So eine gigantische Menge könne nur ein Unternehmen bewältigen mit einem entsprechenden Marktanteil in der Entsorgungswirtschaft. Und jetzt sind wir beim Ich sag mal-Blog-Sommerrätsel. Welcher Entsorgungsgigant könnte das sein? Unter den sechs Dualen Systemen gibt es Unternehmen mit mächtigen Müttern, die im Müllsektor unterwegs sind. Für die Auflösung dieses Rätsels spendiere ich die Präsentation eines Münzen-Zaubertricks via Youtube, den ich mir bei meinem Papa abgeschaut habe.

Neues vom Müllschwund und von der Zertifikatsbürokratie der Entsorgungswirtschaft

In einem Beitrag für NeueNachricht haben wir jetzt nachgelegt und die Hintergründe des angeblichen Müllschwundes unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten analysiert. Bstimmten Lobby-Kreisen geht es wohl um noch etwas ganz anderes. Die aufwändigen Zertifizierungsprozeduren und Sicherheitsleistungen, die der BDE für die Organisation der Mülltrennung verlangt, stellen eine hohe Hürde für den Eintritt neuer Wettbewerber in den Markt dar. Gleichzeitig ermöglichen sie es den etablierten Unternehmen, ihre Deutungshoheit über die Umsetzung der Verpackungsverordnung zu wahren. Stefan Schreiter, der Geschäftsführer des zertifizierten Marktführers, des Ex-Monopolisten DSD GmbH, hat erst kürzlich die wachsende Eigenrücknahme von Leichtverpackungen durch den Handel als „Betrugsmodell“ hingestellt. Alternativen kann der Marktführer offenbar nur als „Wettbewerbsverzerrung“ wahrnehmen.

Der Wettbewerbsrechtler Professor Hans-Peter Schwintowski von der Freien Universität Berlin weist darauf hin, dass nach europäischem Recht regulierende Eingriffe in Märkte grundsätzlich nur dann zulässig sind, „wenn der Wettbewerb auf dem Markt messbare Funktionsdefizite aufweist.“ Das gelte auch für die Einführung von Zertifizierungssystemen mit Strafandrohung, selbst wenn diese formal auf freiwilliger Basis erfolgen. „Reglementierungen dieser Art sprechen eigentlich immer dafür, dass irgendeiner der Marktteilnehmer seine besondere Finanzkraft nutzen will, um die anderen mittel- und langfristig vom Markt zu verdrängen“, meint Professor Schwintowski. Bleibt also die Frage, ob der vom BDE verfochtene Eingriff in den Markt allein wegen statistischer Ungereimtheiten gerechtfertigt ist.

Hier geht es zur kompletten NeueNachricht-Story.

Die Mülltonnen-Verschwörung: Warum kleine grüne Männchen Gelbe Tonnen durchwühlen und Gelbe Säcke aufschlitzen

Apologeten von Verschwörungstheorien haben in der Regel eine klare Vorstellung von unheimlichen Mächten, die unsere Welt in den Abgrund reißen. Dunkelmänner heißen „Die“. „Die“ sind so einflussreich, dass sie ungestraft in der Mitte unserer Gesellschaft die schlimmsten Dinge tun können und trotzdem unbehelligt bleiben. „Die“ sind wahlweise Geheimdienste, ferne Mächte, Mafia-Bosse, skrupellose Sekten, Geheimbünde, dubiose Hintermänner oder gerissene Verführer. Häufig gibt es auch eine Kombination des Ganzen.

Dieses machtvolle Kollektiv unheimlicher Strippenzieher agiert heimlich und machtvoll die Geschicke der Erdenbürger, die noch an das Gute im Menschen glauben und zu naiv sind, um die wahren Absichten der Lenker im Verborgenen zu durchschauen. Man weiß nicht genau, was „Die“ so alles im Schilde führen, aber es muss etwas Schlimmes sein.

„Das ist das Rezept zur Zubereitung einer nahrhaften Verschwörungstheorie. Zunächst einmal benötigt man eine handfeste Verschwörung“, erläuterte der Germanist Dr. Markus Wallenborn bei einem Vortrag der Bonner Goethe-Gesellschaft über besonders krude Verschwörungstheorien rund um Goethe: Es handele sich in der Regel um ein perfekt organisiertes Netzwerk, das im Dunkeln agiert und Ziele verfolgt, die den Interessen der Allgemeinheit zuwiderlaufen. „Nur einige wenige sind berufen, diese Machenschaften zu erkennen und der Öffentlichkeit mitzuteilen“, sagte Wallenborn. Das wieder veranlasst die Mitglieder des „Die-Ordens“ zu Gegenmaßnahmen, um zu verhindern, dass ihre Pläne durchkreuzt werden. Hier liege ein weiteres Merkmal von Verschwörungstheorien, so Wallenborn, man kann sie nicht oder nur schwer widerlegen.

„Jeder, der das versucht, ist automatisch verdächtig, der Gegenseite anzugehören und deren dunkles Spiel mitzuspielen. Jeder Zweifel ist nur ein weiterer Beleg für den Einfluss und die Skrupellosigkeit der Verschwörer. Jeder Gegenbeweis ist gefälscht und jeder fehlende Beleg für die Verschwörungstheorie wurde absichtlich unterschlagen. Damit ist gerade das Fehlen aller Beweise für die Verschwörungstheorie nur eine weitere Bestätigung ihrer Richtigkeit und weiterer Hinweis auf die Macht finsterer Verschwörer, die einflussreich genug sind, die Beweise verschwinden zu lassen. Das schweißt die Guten, die Wissenden zusammen, die ihrerseits ein Kollektiv bilden, wenn auch ein deutlich kleineres. Aber eine Verschwörungstheorie funktioniert nur, wenn nicht nur ein einzelner daran glaubt“, führte der Goethe-Kenner aus.

Nun kommen wir von Goethe direkt zu den geheimen Mächten, die in Deutschland einfach Müll verschwinden lassen. Ja, stinknormalen Müll. Ein perfides Bubenstück. Schummler sind am Werk, die das Volk der Sammler und Sortierer hintergehen, ihnen den verdienten Lohn vorenthält und Pläne für Niedergang der Gelben Tonnen-Glückseligkeit schmiedet. Entsprechend deftig berichtete die FAZ über die berühmt-berüchtigten „Schwarzen Schafe“, die das System des Grünen Punktes unterwandern. Wer schummelt, soll zahlen.

„Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) unternimmt einen neuen Anlauf, um Buchungstricks und Falschabrechnungen bei der Beseitigung von Verpackungsmüll einen Riegel vorzuschieben. Ein vom Verband entwickeltes Zertifikat soll von diesem Jahr an Abhilfe schaffen. Es ist eine Art Qualitätssiegel für duale Systeme. Unternehmen, die es verwenden wollen, müssen von unabhängigen Wirtschaftsprüfern und Umweltsachverständigen kontrollieren lassen, dass sie die Regeln des Verbandes einhalten. Verstöße würden mit Vertragsstrafen von 3,5 Millionen Euro geahndet. Zudem stellt jedes teilnehmende Unternehmen eine Sicherheitsleistung für den Fall, dass es den Betrieb beenden muss und die Gelben Tonnen stehenbleiben“, so die FAZ.

Vertragsstrafen könnte man ja noch verkraften. Aber verwaiste, einsame und unbeachtete Gelbe Tonnen, die millionenfach einfach so in der Gegend nutzlos herumstehen, das würde Deutschland in eine schlimme Sinnkrise stürzen – die drohende Staatspleite Griechenlands, die seit Monaten die Medienagenda beherrscht, würde wohl sofort von den Titelseiten verschwinden. Jedenfalls herrscht in der Entsorgungsbranche und beim Kölner Grüne Punkt-Müllkonzern Alarmstimmung. Warum, das erklärt uns wiederum die FAZ:

„Trotz aller Träume über Müllberge als neue Rohstoffquelle: Die Beseitigung leerer Verkaufsverpackungen kostet derzeit noch immer viel Geld. Rund 800 Millionen Euro benötigen die neun dualen Systeme dafür im Jahr (zur Erinnerung: in den Anfangsjahren der Alleinherrschaft des Grünen Punktes mussten die Verbraucher rund zwei Milliarden Euro jährlich löhnen, um die Einsammlung des Verpackungsabfalls zu finanzieren, gs). Damit bezahlen sie unter anderem die Müllunternehmen, die die Gelben Tonnen leeren, und das Sortieren der Abfälle. Die dafür bei Herstellern und Einzelhändlern für die Verpackungen erhobenen Lizenzgebühren werden nach den Marktanteilen der einzelnen dualen Systeme (es gibt ja kein Monopol mehr, gs) untereinander aufgeteilt und in einer „Gemeinsamen Stelle“ verrechnet. Je kleiner der gemeldete Marktanteil, desto geringer die Beteiligung an den Systemkosten“, schreibt die FAZ.

Deshalb sei die Versuchung groß, die eigenen (jetzt nähern wir uns der „Die“-Verschwörung) Mengen künstlich klein zu rechnen, vor allem bei den sogenannten Leichtverpackungen aus Kunststoff, Weißblech, Alu und Verbundmaterial, weil diese die höchsten Kosten für Sortierung und Verwertung verursachen.

Unmittelbarer Anlass für die Initiative der Entsorgungslobbyisten zur Einführung eines Jodeldiploms Zertifikats seien die Mengenmeldungen für 2010: Sie würden zeigen, dass in der Schlussbilanz der dualen Systeme rund 400.000 Tonnen der Leichtverpackungen fehlen.

„Auf etwa 1,5 Millionen Tonnen kommt der Deutsche Industrie- und Handelstag, bei dem Industrie und Handel die für die gelbe Tonne bestimmten Verpackungen anmelden müssen. Die Mengenangaben der dualen Systeme summieren sich aber nur auf 1,1 Millionen Tonnen. ‚Es wird offensichtlich manipuliert‘, sagt Stefan Schreiter, der Geschäftsführer des Dualen Systems Deutschland (DSD), das immer noch auf einen Marktanteil von rund 50 Prozent kommt. Ekopunkt, eine Tochtergesellschaft des größten deutschen Entsorgungskonzerns Remondis, hat sogar die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Geschäftsführer Markus Mohren vermutet hinter dem Mengenschwund eine ‚betrügerische Absicht“, so die FAZ.

Jetzt haben wir doch die Zutaten für eine satte Verschwörungstheorie. Eine Untergrundorganisation aus Betrügern, Manipulatoren und Tricksern bringt den Heiligen Stuhl des Müllsammel-Imperiums um den Ruhm ihrer Recycling-Großtaten. Man muss sich mal bildhaft vorstellen, wie perfide die Verschwörer vorgehen.

Eine Tonne sind 1000 Kilogramm. Und ein Kilogramm sind ja bekanntlich 1000 Gramm. 400.000 Tonnen sind 400.000.000.000 Gramm – Vierhundertmilliarden Gramm! Nehmen wir mal an, diese Abfallmenge würde sich nur aus Joghurtbechern zusammensetzen. Als Leergewicht für einen Becher gehe ich von fünf Gramm aus – also ohne den schmackhaften Inhalt. Da käme man auf die unglaubliche Summe von 80 Milliarden Verpackungen. Kleine grüne Männchen klettern heimlich in die Gelben Tonnen, wühlen sich zwischen Restmüll oder kaputten Barbiepuppen (40 bis 50 Prozent der Sammelmenge sind ja gar keine Verpackungen, sondern werden als Fehlwurfquote klassifiziert) zu den begehrten Verkaufsverpackungen durch, schlitzen Gelbe Säcke auf und stehlen dem Müllimperium 80 Milliarden stinkende Verpackungen. Pro Tag müsste die Müllschwund-Sekte fast 220 Millionen Verpackungen (wir sind immer noch bei der Joghurtbecher-Rechnung) wegschleppen, um nach einem Jahr auf die Fabelzahl von 400.000 Tonnen zu kommen, die den BDE zu einer Großoffensive für mehr Qualität, Sorgfalt, Strebsamkeit, Redlichkeit und traumhafte Recyclingbilanzen veranlasste.

Nun hat die Verschwörungstheorie einen herben Dämpfer bekommen. Denn selbst Klein-Fritzchen wäre ins Grübeln gekommen, dass Herrscharen von grünen Männchen nicht ausreichen würden, um der Entsorgungswirtschaft so einen herben Tiefschlag in der Sammelbilanz zu verpassen. Und in der Tat: Die Müllschwund-Verschwörungstheorie entpuppt sich als Seifenblase. So geht aus einem Schreiben des NRW-Umweltministeriums hervor, dass es sich bei der Schwundmenge schlichtweg um einen Eingabefehler handelt. Statt 373.916 Tonnen wurden versehentlich 37 Tonnen angegeben.

„Zumindest bei der insoweit ermittelten Differenzmenge von rund 373.000 Tonnen handelt es sich also nicht um einen ‚Mengenschwund‘, hinter dem eine betrügerische Absicht zu vermuten wäre, sondern um einen schlichten Eingabefehler“, schreibt das Umweltministerium (der Brief liegt mir vor, wer ihn bekommen möchte, bekundet das einfach im Kommentarfeld mit E-Mail-Adresse).

Das Umweltministerium ermahnt die beteiligten Kreise zu einer transparenteren Informationspolitik (konkret wird der DIHK genannt). Durch die Bereitstellung einer elektronischen Abgleichroutine, wie das von den Ländern immer wieder erbeten worden sei, würde man nicht nur den betroffenen Behörden eine hilfreiche Erkenntnisquelle liefern, sondern auch den betroffenen Wirtschaftsunternehmen ermöglichen, „die Diskussion auf einer wesentlich fundierteren Grundlage zu führen.“ Der FAZ-Artikel, der die Empörungsspirale in Gang setzte, stammt vom 4. Januar 2011. Das Schreiben des Umweltministeriums wurde am 29. Juni 2011 verschickt. Wir erinnern uns an die Empörungsschreie, die seit einem halben Jahr ertönen.

Wir erinnern uns an die Aussagen des BDE, die in der FAZ im Januar wiedergegeben wurden: Unmittelbarer Anlass für die Initiative der Entsorgungslobbyisten zur Einführung eines Zertifikats seien die Mengenmeldungen für 2010: Sie würden zeigen, dass in der Schlussbilanz der dualen Systeme rund 400.000 Tonnen der Leichtverpackungen fehlen. Jetzt werden wir die Ereignisse in den nächsten Monaten beobachten und schnell erkennen, wie sich die damals aufgestellten Forderungen, gegen Müllschwund-Machenschaften vorzugehen, verselbständigen und neue Gründe für restriktive Eingriffe in den Markt für die Sammlung von Verkaufsverpackungen vorgetragen werden.

Und deshalb gehe ich auf den Anfang meines Beitrages zurück und zitiere den Goethe-Forscher. Man könne Verschwörungstheorien nicht oder nur schwer widerlegen.

„Jeder, der das versucht, ist automatisch verdächtig, der Gegenseite anzugehören und deren dunkles Spiel mitzuspielen. Jeder Zweifel ist nur ein weiterer Beleg für den Einfluss und die Skrupellosigkeit der Verschwörer. Jeder Gegenbeweis ist gefälscht und jeder fehlende Beleg für die Verschwörungstheorie wurde absichtlich unterschlagen. Damit ist gerade das Fehlen aller Beweise für die Verschwörungstheorie nur eine weitere Bestätigung ihrer Richtigkeit und weiterer Hinweis auf die Macht finsterer Verschwörer, die einflussreich genug sind, die Beweise verschwinden zu lassen. Das schweißt die Guten, die Wissenden zusammen, die ihrerseits ein Kollektiv bilden, wenn auch ein deutlich kleineres. Aber eine Verschwörungstheorie funktioniert nur, wenn nicht nur ein einzelner daran glaubt.“

Die Politik der verschlossenen Türen #Kanzlerin #Atompolitik #Reaktorsicherheitskommission

Was habe ich noch in meiner The European-Kolumne am Montag geschrieben:

Der Aktionismus von Merkel und Westerwelle sowie die unfreiwillig preisgegebenen Wahrheiten von Brüderle nach dem Schock von Fukushima verspielten den letzten Rest an Vertrauen, der für politische Autoritäten zum Lebenselixier zählt.

Wer die gesellschaftlichen Voraussetzungen für eine fundamentale Energiewende schaffen will, gründet keine Ethikkommission (oder Reaktorsicherheitskommission), die hinter verschlossenen Türen debattiert und am Ende irgendwelche Ergebnisse präsentiert, sondern sucht den Dialog mit der Netzöffentlichkeit, die sich immer mehr als Agora, als öffentlicher Marktplatz bewährt. Die Netzwelt wirkt vor allem durch die permanente Korrektur ihrer Wissensprojekte über die öffentliche Diskussion und Disputation. „Das Internet verteilt Macht von oben nach unten um. Der Link untergrabe die Hierarchie, stand schon 1999 im ‚Cluetrain Manifest‘, das davon ausgeht, dass sich das Verhältnis von Unternehmen und ihren Kunden dramatisch verändern wird, was aber auch für Politiker und ihre Wähler gilt“, schreibt Klaus Raab in seinem Opus „Wir sind online – Wo seid ihr? – Von wegen dummgesurft! Die unterschätzte Generation“ (Blanvalet Verlag). Soweit der Auszug der Montagskolumne.

Und was lief morgens über den Ticker: Die Reaktorsicherheitskommission kommt heute zu Beratungen über neue Kriterien für die Sicherheitsüberprüfung deutscher Atomkraftwerke nach der Reaktorkatastrophe von Japan zusammen. Das beim Bundesumweltministerium angesiedelte Expertengremium soll einen Fragenkatalog erstellen, der als Basis für einen Arbeitsplan bei der geplanten Durchleuchtung der Akw dient. Die Kommission tagt hinter verschlossenen Türen. Einzelheiten sollen nicht veröffentlicht werden.

So wird das nichts mit dem Vertrauensgewinn. Diese Kommission sollte öffentlich tagen, zumindest sollte ein Livestream ins Internet übertragen werden. Da gibt es nichts zu verheimlichen. Hosen runter – also nur symbolisch gesprochen.