Industrieunternehmen vernachlässigen Entwicklung und Vermarktung von Serviceleistungen – Verzahnung von Produkt-, Software- und Dienstleistungsinnovationen als Hausaufgabe

logo-bestedienstleister-2010Auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft gibt es für viele Unternehmen noch immer manchen Stolperstein aus dem Weg zu räumen. Während viele Betriebe im Endkundengeschäft ihre Services und Kundenbetreuung ausbauen, herrscht im Verhältnis zu Geschäftskunden noch Nachholbedarf. Einer Studie der Wiesbadener Beratungs- und Agenturgruppe Marketing Partner zufolge steigt zwar der Stellenwert der Serviceleistungen im deutschen Maschinen- und Anlagenbau. Lediglich 20 Prozent der Firmen betreiben eine zielgerichtete Vermarktung ihrer Serviceleistungen. Das zeigt: Vielen Maschinenbauern fällt der Vertrieb von industriellen Serviceleistungen neben der Abwicklung des Kerngeschäfts noch schwer. Die Chance auf zusätzliche Gewinne bleibe deutlich hinter den Möglichkeiten des Marktes zurück, so die Studie mit dem Titel „After-Sales-Service erfolgreich vermarkten“.

Ganz anders sieht es im Endkundengeschäft aus. Unter den zehn besten Unternehmen beim Wettbewerb „Deutschlands Kundenorientierteste Dienstleister 2009″ finden sich sieben Unternehmen aus der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche. Platz eins belegte der TV-Sender Home Shopping Europe (HSE). Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Hamburger Drogeriemarktkette Budnikowsky und der Münchener Finanzprodukt-Vermittler interhyp AG. „Viele Unternehmen sehen sicherlich die Notwendigkeit, das Servicegeschäft aktiv auszubauen. Allerdings fehlt vielen auch der nötige Organisationsgrad“, so die Markterfahrung von Robert Keller, Leiter Service International beim schwäbischen Technologiespezialisten Bizerba. „Leider wirkt sich auch der kurzfristige Kostendruck negativ aus. Es wird oft am falschen Ende gespart. Statt auf Originalersatzteile und den Herstellerservice zu setzen, versucht man, sich zu behelfen. Doch diese Strategie geht in den seltensten Fällen auf“, so Keller, der gerade in Krisenzeiten neue Chancen für die Servicestrategen sieht.

Innovative Servicekonzepte, die die Kundenbedürfnisse vorhersehen, müssten gerade in schwierigen Zeiten entwickelt werden. Bizerba setze daher auf eine große Bandbreite bei Serviceleistungen, von Beratung und Schulung über internetbasierte Ferndiagnose oder einen 24-Stunden-Service bis hin zum regelmäßigen Akku- und Batterietausch für die PC-Waagen oder ein umfangreiches Angebot an Spezial-Reinigern für Schneidemaschinen, die die Gesamtlaufzeiten der Geräte und Maschinen verlängern und die Wartungshäufigkeit verringern. „Und das ist für die Kunden bares Geld wert“, ist Keller von der Bedeutung des After Sales überzeugt.

Zwei Drittel der von Marketing Partner befragten Unternehmen organisieren den Vertrieb von Serviceleistungen derzeit bereits als eigenständige Unternehmenseinheit in Form eines Profitcenters. Insbesondere Ergebnisorientierung, Kostentransparenz und die Möglichkeit, Erfolge direkt zuordnen zu können, werden als wesentliche Vorteile dieser Organisationsform genannt.

Pflichtlektüre für Service-Innovatoren
Pflichtlektüre für Service-Innovatoren

„In vielen Industrieunternehmen ist das allerdings bislang nicht der Fall. Dort konzentriert man sich auf die Vermarktung des isolierten Produktes und vernachlässigt die Verlängerung der Wertschöpfungsketten. Mit ausgefeilten und intelligenten Servicekonzepten rund um das Produkt-Kerngeschäft kann man sehr hohe Gewinnmargen erzielen. Allerdings müssen Dienstleistungen mit der gleichen Akribie konzipiert werden, wie technologische Ingenieursleistungen. Die Maschinen- und Anlagenbauer können das nicht nur als notwendiges Übel betrachten, sondern müssen sich zu Service-Providern weiterentwickeln“, so das Fazit von Udo Nadolski, Geschäftsführer des Beratungshauses Harvey Nash.

Das sei ein wichtiger Entwicklungsschritt, um in dem postindustriellen Zeitalter wettbewerbsfähig zu bleiben. Es geht um eine Verschmelzung von Produkten und Dienstleistungen. „Man muss die Rolle der Kunden neu begreifen und sie als Partner im Wertschöpfungsprozess sehren. Man muss sie sehr früh bei Innovationen einbinden und ihnen Plattformen und Lösungen bereitstellen, die exakt zu den Bedürfnissen der Kunden passen“, skizziert Nadolski die Anforderungen für das produzierende Gewerbe. Die Verzahnung von Produkt-, Software- und Dienstleistungsinnovationen zähle zur wichtigsten Hausaufgabe der industriellen Welt.